Evangelische Kirche sucht Weg in die Zukunft – Landesbischöfin Käßmann: Junge Menschen ansprechen und neue Lebensformen akzeptieren

Nachricht 25. September 2009

Kassel/Hannover (epd). Die evangelische Kirche sucht nach neuen Wegen, um Menschen anzusprechen. Bei der Zukunftswerkstatt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) standen am Freitag die Arbeit in den Gemeinden und neue Andachtsformen im Mittelpunkt. Die Verbesserung der Qualität von Gottesdiensten ist eines der Hauptanliegen des EKD-Reformprozesses, zu dem bei dem dreitägigen Kongress in Kassel eine Zwischenbilanz gezogen wurde. Die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann forderte in der "Frankfurter Rundschau" (Freitagsausgabe) dazu auf, dass die evangelische Kirche stärker junge Menschen anspricht und neue Lebensformen außerhalb der Familie positiv bewertet.



"Junge Christen praktizieren heute eine große Vielfalt von Beziehungen und Lebensformen", sagte die geschiedene vierfache Mutter. Sie bewundere Ehen, die ein Leben lang halten. Doch Leben könne auch jenseits der Leitbilder gelingen. "Ich wünsche mir eine Kirche, die um die Brüche im Leben weiß und den Menschen zeigt, dass sie das nicht außerhalb der christlichen Gemeinde stellt", sagte Käßmann.



Beispielhaft startete die EKD am Freitag ihren zweiten Kongresstag mit 28 außergewöhnlichen Andachten. Mit solchen neuen Formen will die EKD künftig stärker Menschen gewinnen, die herkömmlichen Gottesdiensten distanziert gegenüber stehen. Unter anderem wurden Andachten auf dem ICE-Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe, im Polizeipräsidium der Stadt, in einer Brauerei und auch virtuell im Internet gefeiert.



Der EKD-Finanzchef Thomas Begrich sprach in der Schalterhalle der Evangelischen Kreditgenossenschaft über die Finanzkrise: "Billionen Euro sind an Werten vernichtet und - was schlimmer ist - Millionen Menschen haben ihren Arbeitsplatz verloren oder fürchten darum." Mit Hinweis auf die enorme Schuldenlast für künftige Generationen widersprach er Stimmen, wonach alles nicht so schlimm werde. "Das ist eine Krise des Systems." Aber sie sei nicht nur von "Bankern" gemacht, sondern von Menschen. Es komme nicht darauf an, mit den Fingern auf "die Banker" zu zeigen, sondern sich selbst um einen verantwortlichen Lebensstil zu bemühen, der niemanden bedrücke, empfahl Begrich.



Bei der Online-Andacht des neuen Internetangebots "evangelisch.de" versammelten sich Interessierte aus mehreren deutschen Städten in einem sogenannten Chatroom. Neben Liturgie und gemeinsamen Gebeten bestand Gelegenheit zum Gedankenaustausch über biblische Texte. Die Teilnehmer formulierten zudem aktuelle Wünsche und Hoffnungen für ihr eigenes Leben.



An dem Kongress in Kassel nehmen 1.200 Haupt- und Ehrenamtliche aus allen 22 Landeskirchen teil. In einer "Galerie guter Praxis" werden 100 zukunftsweisende Projekte aus Gemeinden, Kirchenkreisen und Einrichtungen präsentiert. Die Zukunftswerkstatt geht am Sonnabend mit einem Auftritt von Bundespräsident Horst Köhler zu Ende.



Vor drei Jahren hatte die EKD das Zukunftspapier "Kirche der Freiheit" und damit einen grundlegenden Reformprozess angestoßen. In dem Papier wurde eine Reduzierung der Zahl der Landeskirchen durch Fusionen auf zwölf angeregt. Obwohl in Kassel Änderungen in der föderalen kirchlichen Struktur nicht zur Debatte stehen, unterstrich die Evangelische Landeskirche Anhalts als kleinste deutsche Landeskirche noch einmal ihr Ziel, die Eigenständigkeit zu erhalten.



epd lnb bas mir / 25.9.2009

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