Landesbischöfin: Wiedervereinigung von Nord- und Südkorea kaum vorstellbar

Nachricht 17. September 2009

Hannover/Seoul (epd). Die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann hält eine Wiedervereinigung von Nord- und Südkorea für kaum vorstellbar. Es sei bereits auf den ersten Blick sichtbar, dass die beiden Staaten durch Welten voneinander getrennt seien, sagte Käßmann am Mittwoch im epd-Gespräch im südkoreanischen Seoul. Käßmann reist zurzeit mit einer Delegation des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) durch Nord- und Südkorea. Die Ratsmitglieder waren am Wochenende auf Einladung der "Korean Christian Federation" zu einem viertägigen Besuch in Nordkorea eingetroffen. Es ist das erste Mal, dass eine offizielle Delegation der EKD das Land besucht. 

Die einheimischen Gesprächspartner hätten ihnen immer wieder versichert, wie wichtig den Nordkoreanern eine Wiedervereinigung sei, sagte Käßmann. Sie solle in Frieden und ohne Außeneinfluss kommen und in zwei eigenständigen Systemen gestaltet werden. Der Leitgedanke für Nordkorea solle dabei die "Juche"-Ideologie (koreanisch: "Selbstständigkeit", "Autarkie") bleiben, die vom verstorbenen Präsidenten Nordkoreas, Kim Il-sung, entwickelt wurde. Sie besage im Kern, dass der Mensch über alles herrsche und jeder für sich selbst verantwortlich sei. Auch die Jahre würden in "Juche" gezählt. Juche 1 entspreche dem Jahr 1912, dem Geburtsjahr des "großen Führers" Kim Il-sung.

Diese Ideologie stehe im fundamentalen Gegensatz zu dem biblischen Gebot, Gott über alle Dinge und den Nächsten wie sich selbst zu lieben, sagte Käßmann: "Wie kann freies christliches Leben in solch einer Atmosphäre möglich sein?" Eine angemessene Beurteilung der Situation sei nach einem so kurzen Besuch aber kaum möglich, sagte die Bischöfin weiter. Sie sei hin- und hergerissen zwischen dem aufrichtigen Wunsch der Korean Christian Federation, als christliche Organisation anerkannt zu werden, und der Aussage eines ausländischen Diplomaten, die Federation sei eine "Staatsabteilung für Propagandazwecke".

 Christliche Untergrund-Gemeinden wie früher in China kann es dem Diplomaten zufolge nicht geben, weil die Überwachung des Staates allumfassend sei. Von südkoreanischer Seite sei die Existenz von Untergrund-Gemeinden dagegen bestätigt und die Zahl von 300.000 inhaftierten Christen genannt worden, sagte Käßmann.

Auf dem Weltverfolgungsindex von Christen steht Nordkorea seit sechs Jahren auf dem ersten Platz. Auch Amnesty International kritisiert immer wieder die fehlende Religionsfreiheit und die Internierung von Christen. Das Christentum war nach Angaben von Amnesty besonders in der Hauptstadt Pjöngjang lange stark vertreten. Allein dort habe es um 1907 rund 100 Kirchen mit bis zu 14.000 Gläubigen gegeben. Die Stadt sei damals auch als "Jerusalem des Ostens" bezeichnet worden. 

Heute leben in dem abgeschotteten Land, das Schätzungen zufolge 23 Millionen Einwohner hat, nur einige Tausend Christen. Sie sind in Hauskirchen organisiert und regimetreu. In der Hauptstadt gibt es lediglich vier Kirchenbauten, zwei evangelische sowie je eine katholische und orthodoxe Kirche. Die EKD-Delegation musste bei ihrer Einreise die Handys an der Grenze abgeben, Laptops hatten keine Mail-Verbindung.

Käßmann sagte weiter, in der Zeitung "The Pyongjang Times" sei der derzeitige Führer des Landes, Kim Jong-il, mit dem Satz zitiert worden, Nordkorea sei eine Volksregierung mit der Leitidee, dass das Volk Gott sei. Kim Jong-il und sein Vater Kim Il-sung seien mit riesigen Statuen und Bildern auf allen Straßen und in jedem Gebäude präsent: "Es ist eine gottgleiche Verehrung. Wenn dann noch die Mutter von Kim Jong-il daneben erscheint, fühlt man sich an Weihnachtsbilder der Heiligen Familie erinnert", so Käßmann. 

Die Delegation hält sich bis zum 21. September auch in Südkorea auf. Rund ein Viertel der 48 Millionen Südkoreaner gehören einer christlichen Kirche an. Die Zahl der Protestanten wird auf 8,6 Millionen geschätzt, daneben gibt es rund fünf Millionen Katholiken.

epd lnb mil mig/17.9.2009
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