Diakonie-Direktor sucht nach Alternativen zur Finanzierung der Pflege

Nachricht 04. August 2009

Hannover (epd). Der hannoversche Diakonie-Direktor Christoph Künkel hält es für denkbar, dass die Diakonie nach Alternativen zum staatlichen Gesundheitssystem sucht. Im Interesse des Wohles ihrer Mitarbeiter müsse die Diakonie eine Untergrenze beim Kampf um den günstigsten Anbieter in der Pflege setzen, sagte Künkel am Dienstag im epd-Gespräch: "Es wird einen Punkt geben, an dem wir uns fragen müssen, ob wir noch weiter im bestehenden System mitmachen können."



Der Preiskampf zwischen privaten und freien Pflegeanbietern wie den Kirchen werde auf dem Rücken der Pflegekräfte ausgetragen und gehe zu Lasten der Qualität, betonte der Theologe: "Wenn wir unseren eigenen Ansprüchen eines christlichen Menschenbildes zum Beispiel in der Pflege nicht mehr gerecht werden können, müssen wir nach alternativen Finanzierungen suchen." Eine Diakonie ohne Pflege sei nicht denkbar. Eine Möglichkeit seien Stiftungen: "Es gibt so viele Stiftungen, die notleidende Tiere unterstützen, warum nicht auch mal notleidende Menschen?"


Der aktuelle Konflikt in Hannover um fünf insolvente Pflegeheime der katholischen Caritas zeige den Druck, unter dem auch kirchliche Unternehmen stünden. Das Evangelische Johannesstift aus Berlin plant, die Heime zu übernehmen. Die rund 580 Beschäftigten müssen dabei mit Lohneinbußen bis zu 13 Prozent rechnen. Dagegen hatte es in den vergangenen Wochen zahlreiche Proteste der Gewerkschaft ver.di und der Mitarbeiter gegeben. "Die Caritas verabschiedet sich gewiss nicht leichtfertig von ihren Altenheimen", sagte Künkel.


Seitdem für die Pflege nicht mehr das Prinzip der Kostendeckung gelte und immer mehr private Anbieter auf den Markt drängten, hat es Künkel zufolge im Pflegebereich einen Wandel von einer Ökonomisierung zur Kommerzialisierung gegeben: "Mit Sozialem lässt sich Geld machen."


Früher habe der Mensch im Mittelpunkt der Pflege gestanden, heute sei der Kranke das Mittel, um Geld zu verdienen: "Es heißt zwar, dass es um die Klienten geht, tatsächlich ist aber vielfach der wirtschaftliche Erfolg die treibende Kraft." Daraus resultiere der große Fachkräftemangel, der sich auch nicht mehr durch Pflegepersonal aus dem Ausland auffangen lasse: "Kaum jemand will noch in der Pflege arbeiten", sagte Künkel.


Während die Anforderungen ständig stiegen, sänken gleichzeitig die Löhne: "Welche Pflegekraft kann von ihrem Einkommen noch eine Familie ernähren? Ist die Pflege überhaupt noch ein vollständiger Beruf oder längst ein Aushilfsjob?" Diese Fragen betreffen nach Ansicht Künkels die ganze Gesellschaft: "Die Gesundheit gilt als unser höchster Wert, nur über die Kosten möchte niemand reden." Jeder einzelne müsse sich fragen, was er bereit sei, einzusetzen: "Nicht nur für mich selbst, sondern auch für meine Mitmenschen." Auf der anderen Seite müsse der Bund seinen erheblichen Einfluss auf die Kostenträger wie Pflegekassen und Kommunen ausüben.





epd lnb mil mir / 4.8.2009

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