Göttingen (epd). Der Bundesverband Deutsche Tafel rechnet mittelfristig mit einer Zunahme der strukturellen Armut in Deutschland. Grund sei die momentane Wirtschaftskrise, sagte Vorstandsvorsitzender Gerd Häuser am Mittwoch zum Auftakt des Bundestafeltreffens in Göttingen. Bereits jetzt versorgten die über 840 örtlichen Tafeln des Verbandes bundesweit einen Kundenkreis von rund einer Million Bedürftigen mit Lebensmitteln und Waren des täglichen Bedarfs.
Die Politik dürfe sich nicht noch weiter aus der Daseinsvorsorge zurückziehen und auf das Engagement der Bürgergesellschaft hoffen, betonte Häuser: "Wir sind nicht Teil des Sozialstaates. Wir können die Armut nicht bekämpfen, nur ihre Folgen lindern." Um die wachsende Armut in Deutschland wirksamer zu bekämpfen, forderte er einen Bundes-Armutsbeauftragten. Dieser könne künftig die Arbeit der Ministerien und der Regierung koordinieren und eine Schnittstelle zu den Wohlfahrtsverbänden und anderen gemeinnützigen Organisationen bilden.
Wenn der Bedarf wachse, stünden auch die Tafeln bundesweit vor großen Herausforderungen, vor allem was das Sammeln der Lebensmittel und die bundesweite zeitgerechte Verteilung angehe, sagte Häuser weiter. Zwar sei das Sachspenden-Aufkommen in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen, dennoch sinke die Abgabe der Waren pro Kopf, da die Zahl der Bedürftigen ebenfalls angewachsen sei.
Damit die Verteilung mit dem wachsenden Bedarf Schritt halten könne, werde eine ausgeklügelte Logistik immer wichtiger, hieß es.
"Kürzlich gab es in einer Region eine Großspende von 40 Lastzügen voll mit 2.000 Paletten an Lebensmitteln", berichtete Gerhard Hampl, Vorstandsmitglied und Logistik-Beauftragter des Bundesverbandes. Das alles müsse bewegt, fachgerecht gelagert oder gekühlt und schließlich bundesweit verteilt werden. "Wir wünschen uns dazu mehr Partner aus der Logistik-Branche, die uns unterstützen", sagte Hampl.
Zugleich sei die Tafellandschaft sehr unterschiedlich: Im Osten Deutschlands gebe es die meisten Bedürftigen, die meisten lokalen Tafeln seien jedoch im Westen tätig. So plane der Bundesverband, Lagerkapazitäten aufzubauen, um größere Mengen länger haltbarer Spenden in einer Art Pufferlager unterbringen zu können. Dabei hoffe er auf staatliche Fördergelder.
Anders als europäische Nachbarländer können Organisationen wie die Tafeln in Deutschland bei der EU keine Mittel aus dem rund 500 Millionen Euro schweren Lebensmittelhilfsprogramm für Bedürftige beantragen, da Deutschland nicht an diesem Programm teilnehme. "Die Bundesregierung hat ein großes Problem", sagte Häuser: "Wenn sie uns unterstützt, kann man dies als Eingeständnis interpretieren, dass der Hartz-IV-Satz nicht ausreicht."
Zum 15. Jahrestreffen des Verbandes Deutsche Tafel werden 1.000 hauptsächlich ehrenamtlich arbeitende Aktive aus dem gesamten Bundesgebiet zu Diskussionen und Fortbildungen in Göttingen erwartet.
Die Tagung dauert bis zum Sonnabend.
epd lnb freu mil/10.6.2009
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