Von Jörg Nielsen (epd)
Bremen (epd). René Szymkowiak aus Neumünster rudert wild mit den Armen: "Links geht's zum Kirchentag", ruft der mutige Pfadfinder immer wieder dem Menschenstrom entgegen, der im Bremer Hauptbahnhof von den Bahnsteigen fließt und versucht, ihn zur Seite zu drängen. Doch der 17-Jährige bleibt standhaft: "Ein anstrengender Job. Aber er ist wichtig und macht Spaß." Er hat die Aufgabe, die Menschenmassen aus den Sonderzügen in die Innenstadt zu leiten. Das fünftägige Protestantentreffen steht unter der biblischen Losung "Mensch, wo bist du?". Zu den rund 2.500 Veranstaltungen erwarten die Organisatoren etwa 100.000 Dauerteilnehmer.
Die Bremer reagieren freundlich auf die Besucher des 32. Deutschen Evangelischen Kirchentages in ihrer Stadt. "Das ist eine tolle Werbung für Bremen", sagt Marlies Krix, die das Treiben des beginnenden Christentreffens am Mittwoch bei einer Tasse Café auf dem Marktplatz beobachtet. "Das macht mich neugierig." Zum Abend der Begegnung könne sie leider nicht kommen, weil sie das UEFA-Cup-Endspiel mit Werder Bremen sehen müsse. "Aber morgen guck' ich mir alles an, wenn wir schon evangelische Hauptstadt sind."
Zu den wichtigsten Themen des Kirchentags zählen die Wirtschaftskrise und der Klimawandel. Die Präsidentin des Kirchentages, Karin von Welck, erwartet vom Christentreffen eine neue Debatte über Verantwortung. "Das Ende der Neid-und-Gier-Phase scheint gekommen zu sein", sagt sie.
Vom Bremer Kirchentag soll die Botschaft ausgehen, dass Lebensqualität jenseits von Wachstum möglich sei und jeder etwas tun kann, sagt die Generalsekretärin des Kirchentags, Ellen Ueberschär. Eine große Zahl von Teilnehmern ist bereits klimafreundlich mit dem Rad angereist ist. Sie wurden am Mittag vom Oldenburger Bischof Jan Janssen mit den Worten begrüßt: "Wer in die Pedale tritt, fängt mit dem Klimaschutz schon an."
Währenddessen wurden in der Stadt Buden und Stände für den Abend der Begegnung aufgebaut. Immerhin sollten am Abend 300.000 Menschen zu dem Straßenfest der Superlative kommen, 6.000 Ehrenamtliche aus dem Nordwesten Niedersachsens waren für die Eröffnung des Kirchentags eingeplant. Teespezialitäten aus Ostfriesland und Heringe aus Wilhelmshaven sollen den Durst und Hunger der Gäste stillen.
"Nestmanager" Hauke Dirksen aus Kiel zeichnet am Nachmittag noch nach einem Plan die Plätze für die Stände mit Kreide auf die gesperrten Straßen. Stress habe es nur mit einem Gastwirt gegeben, der keine Konkurrenz vor seinem Lokal haben wollte. "Den habe ich mit guten Argumenten davon überzeugen können, dass er heute Abend trotzdem einen Riesenumsatz machen wird", sagt Dirksen mit einem Schmunzeln. Er studiert Mathematik und Wirtschaft.
Aus dem französischen Elsaß sind Emil (70) und Elisabeth (63) Steiner angereist. "Wir wollen vor allem die Bibelarbeiten von Frau Käßmann und Herrn Huber besuchen", sagt sie. Die beiden haben seit Jahrzehnten keinen Kirchentag ausgelassen. Was für sie das Wichtigste am Kirchentag sei? "Fremde Menschen kennenzulernen und gemeinsam zu beten."
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