Diakonie zwischen Anspruch und Systemzwängen

Nachricht 25. März 2009

Loccum/Kr. Nienburg (epd). Der Kassler evangelische Bischof Martin Hein hat einen Bedeutungsverlust sozialer Fragen in der Politik kritisiert. "Soziales hat keine Konjunktur mehr", sagte er am Mittwoch in Loccum bei Nienburg bei einer Tagung der Evangelischen Akademie. So habe die neue hessische CDU/FDP-Landesregierung das Sozialministerium in Wiesbaden in Ministerium für Arbeit, Familie und Jugend umbenannt. Die hessische Diakonie stehe jetzt vor der Aufgabe, mit einer Regierung zu verhandeln, die "das Soziale unterbelichtet". Hein leitet die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck.

Diakonie-Präsident Klaus-Dieter Kottnik rief das Diakonische Werk zu mehr politischem Engagement auf. "Diakonie kann nicht unpolitisch sein, sie ist von allem Anfang an politisch", sagte er bei einer Podiumsdiskussion zum Thema "Wie politisch darf Diakonie sein?". Kottnik beschrieb die Diakonie als soziale Bewegung innerhalb des Bürgertums. Sie fordere die Bürger zur Mitarbeit in ihren Gremien auf, um auch Brücken in die Wirtschaft hinein zu schlagen. Kottnik steht in Berlin an der Spitze des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Bischof Hein rief die Diakonie auf, sich eng mit der EKD abzustimmen. "Diakonie und Kirche dürfen in der öffentlichen Diskussion nicht mit verschiedenen Positionen auftreten." Da die Diakonie nah bei den Alltagsproblemen der Menschen sei, habe sie eine "seismografische Funktion" für die Kirche: "Sie zeigt uns, was gerade dran ist." Als Beispiel dafür nannte Hein die Forderung, dass die Pflege auskömmlich finanziert werden müsse.

Der Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Günther Horzetzky aus Berlin, bezeichnete die politischen Äußerungen der Diakonie als unbequem: "Sie stellt Fragen, die wir nicht hören wollen." So würden Erfahrungen aus dem wirklichen Leben in die Bürokratie hineingebracht. Das könne der Politik nur nützen. "Eine Sozialbürokratie, die an den Menschen vorbeirauscht, ist keine, die den Menschen dient", sagte der Staatssekretär.

Der stellvertretende Bundesvorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Eberhard Jüttner aus Magdeburg, rief dazu auf, das gemeinsame politische Engagement der Sozialverbände zu verstärken. Nur so könnten negative Entwicklungen verhindert werden. "Die Diakonie kann nicht genug politisch agieren", sagte Jüttner.

epd-lnb mig mir/25.3.2009

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