Hannover (epd). Mit der Forderung nach verbindlichen Regelungen für die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Kirche ist am Sonnabend in Hannover ein zweitägiges Symposium zum Thema "Geschlechtergerechtigkeit in der Evangelischen Kirche" (EKD) zu Ende gegangen. Es sei ein Skandal, dass der Anteil der Frauen unter den evangelischen Pfarrern bundesweit erst bei 28 Prozent liege, sagte der Leiter der evangelischen Männerarbeit im Rheinland, Rainer Volz, bei einer Podiumsdiskussion vor rund 200 Teilnehmern aus ganz Deutschland.
Auf der EKD-Synode von Bad Krozingen im Jahr 1989 sei beschlossen worden, dass die Dienststellen, Einrichtungen und Werke der EKD bis 1999 mit einer Frauenquote von mindestens 40 Prozent besetzt werden sollten. Auch 20 Jahre später sei die Kirche von diesem Ziel noch weit entfernt, sagte Volz, der auch Mitglied im Beirat des Referats für Chancengerechtigkeit der EKD ist.
Die Vorsitzende der Evangelischen Frauen in Deutschland, Brunhilde Raiser, sagte, dass gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die Geschlechtergerechtigkeit eine Kernfrage in allen Organisationen und Verbänden der Kirchen bleiben müsse. Dazu gehöre auch, das Thema Gleichstellung der Geschlechter bereits in den Kindertagesstätten zu verankern.
Die ehemalige Bundesfamilienministerin Christine Bergmann (SPD) ergänzte, Kindergärten bräuchten dringend mehr Männer als Erzieher. Sie hoffe, dass es dann auch endlich zu einer angemessenen Entlohnung für diesen Beruf komme. Erfahrungsgemäß stiegen die Löhne und Gehälter, wenn Männer in Frauenberufen mitarbeiteten. "Es kann nicht sein, dass uns die Arbeit mit Kindern so wenig wert ist." Gleiches gelte auch für die Arbeit von Pflegenden, sagte Rainer Volz. Die Kirche dürfe die Regeln des Marktes nicht akzeptieren, sondern müsse gegen die Privatisierung der Pflege vorgehen und für eine akzeptable Bezahlung sorgen.
Zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie, sagte Heinz-Georg Ackermeier, theologischer Vorsitzender der Männerarbeit der EKD, dies sei kein "Frauenproblem", sondern eines für beide Geschlechter: "Wir brauchen auf allen Ebenen Koalitionen zwischen Frauen und Männern, um dieses Thema auch politisch anzugehen."
Die Redner sprachen sich dafür aus, Sanktionen zu schaffen, um die Forderungen nach Geschlechtergerechtigkeit innerhalb der Kirche durchzusetzen. Kritisiert wurde, dass in dem laufenden Reformprozess "Kirche der Freiheit" der EKD die Themen Geschlechtergerechtigkeit, Armut und Ökumene nicht verankert seien. Rainer Volz betonte, es dürfe nicht sein, dass einzelne Theologen in der EKD allein entschieden, welche Schwerpunkte zu setzen seien.
Das Symposium war eine erste öffentliche Veranstaltung des neuen "Evangelischen Zentrums Frauen und Männer" in Hannover. Unter diesem Dach gibt es eine gemeinsame Verwaltungsstelle des Verbandes der Evangelischen Frauen in Deutschland und der Männerarbeit in der EKD.
epd-lnb mil mir / 21.3.2009
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Landesbischöfin fordert eine Männer- und Frauenförderung
Hannover (epd). Die Gleichstellung von Frauen und Männern kann nach Ansicht der hannoverschen Landesbischöfin Margot Käßmann nicht allein dadurch erreicht werden, dass die Chancen für Frauen verbessert werden. Nötig sei vielmehr eine Männer- und Frauenförderung, die überkommene gesellschaftliche Werte im Interesse beider Geschlechter zu überwinden helfe, sagte Käßmann am Freitag in Hannover bei der Eröffnung eines zweitägigen bundesweiten Symposiums über "Geschlechtergerechtigkeit in der evangelischen Kirche".
Vor der 20 Jahren hätten sich Kirchenparlamentarier erstmals unmissverständlich für die Gleichstellung von Männern und Frauen in der Kirche ausgesprochen. Bei der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Bad Krozingen im Jahr 1989 seien konkrete Beschlüsse zur Frauenförderung in Kirche und Diakonie gefasst worden, sagte Käßmann. Dienststellen, Einrichtungen und Werke der EKD sollten künftig paritätisch von Frauen und Männern besetzt werden. Der Kerngedanke sei dabei gewesen, dass die Erfahrungen und Fähigkeiten von Frauen in der Kirche genauso zur Geltung kommen sollten wie die der Männer.
Das Miteinander der Geschlechter und Generationen sei damals weniger im Blick gewesen, sagte die Bischöfin der größen evangelischen Landeskirche in Deutschland. Heute wünschten sich zum Beispiel immer mehr Frauen und Männer, Familienleben und Beruf miteinander zu vereinbaren. "Manches Mal haben Männer in unserer Kirche damit zu kämpfen, wenn sie Elternzeit nehmen wollen", betonte Käßmann. Die Kirchen dürften sich nicht nur theoretisch für den Wert der Familie einsetzen. Sie müssten Familienfreundlichkeit auch in ihren eigenen Strukturen und Einrichtungen fördern.
"Geschlechtergerechtigkeit ist definitiv ein Zukunftsthema", sagte Käßmann weiter. In Deutschland seien in erster Linie allein erziehende Frauen und Seniorinnen von Armut betroffen. Frauen verdienten durchschnittlich 23 Prozent weniger als Männer. Auch der Schutz vor Gewalt, Diskriminierung und Ausbeutung gehöre zur Geschlechtergerechtigkeit: "Gerade in der Kirche müssen wir Fragen der sexuellen Gewalt, von Übergriffigkeit, Vergewaltigung und Genitalverstümmelung aufgreifen." Die Bischöfin beendete ihren Vortrag mit einem Zitat Martin Luthers: "Die Welt kann die Frauen nicht entbehren, selbst wenn die Männer alleine die Kinder bekämen."
epd-lnb mil mig / 20.3.2009
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EKD stellte 1989 Weichen für die Gleichstellung von Frauen
Von Rainer Clos (epd)
Frankfurt a.M./Hannover (epd). Die Ansage war deutlich: "Es ist anzustreben, dass in die Leitungs- und Beratungsgremien evangelischer Kirchen Frauen und Männer in gleicher Zahl gewählt oder berufen werden." Mit diesem Leitsatz läutete die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) 1989 im badischen Krozingen den Abschied von der "Männerkirche" ein.
Auch die Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR stellte 1989 die Weichen für eine geschlechtergerechte Zukunft der Kirche. "So weit sind wir auch 2009 noch nicht", räumte EKD-Kirchenamtspräsident Hermann Barth unlängst ein.
In dem Beschluss "Die Gemeinschaft von Frauen und Männern in der Kirche" der Krozinger Synode gab es auch eine Quotenvorgabe. Innerhalb von zehn Jahren sollten mindestens 40 Prozent Frauen Mitglied im Kirchenparlament sein. Diese Quote dürfte auch für die neue EKD-Synode erfüllt werden, die sich Anfang Mai konstituiert.
Frauenförderung gilt seit 1989 als Daueraufgabe in der Kirche. Weitere Vorsätze waren: Die Verwaltungssprache und die liturgische Sprache sollen durchgängig Frauen und Männer berücksichtigen. Auch die theologische Frauenforschung sollte einen angemessenen Platz erhalten. Die Beschlüsse markierten eine Zäsur und bedeuteten einen Bruch mit der auch theologisch begründeten Tradition, die die Benachteiligung von Frauen über Jahrhunderte legitimierte.
Bewegung gab es allerdings schon früher. Die kleinen Landeskirchen Pfalz, Lübeck und Anhalt waren Vorreiter und machten vor rund 50 Jahren den Weg für die Frauenordination frei. Die pfälzische Synode verabschiedete 1958 das "Theologinnengesetz", das Frauen und Männer im geistlichen Amt gleichstellte.
Waltraud Hübner wurde 1959 die erste Gemeindepfarrerin bundesweit. Erst später wurde die "Zölibatsklausel" abgeschafft, die nur unverheiratete Frauen zum Pfarrdienst zuließ. Als letzte Landeskirche öffnete Schaumburg-Lippe 1991 das Pfarramt für Frauen.
EKD-weit gab es Ende 2005 mehr als 19.000 Pfarrer, davon waren 5.588 Frauen. Vor 20 Jahren waren von 18.000 Theologen in der evangelischen Kirche rund 2.100 Frauen. Die Statistiken legen nahe, dass in Zukunft noch häufiger Frauen auf der Kanzel stehen. Im Wintersemester 2007/2998 gab es 8.500 Theologiestudierende, davon waren mehr als 5.100 weiblich.
Höher sind die Frauenanteile an der Pfarrerschaft in einzelnen Landeskirchen. In der Evangelischen Kirche der Pfalz sind ein halbes Jahrhundert nach der Zulassung von Frauen zum Pfarramt 214 Pfarrerinnen und 31 Prädikantinnen im Dienst, dies entspricht einem Anteil von 38 Prozent.
Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland hat einen Anteil von 30 Prozent: Neben den 735 Pfarrern gibt es in der Landeskirche 320 Pfarrerinnen. Von den 38 Kirchenkreisen werden sechs von Superintendentinnen geleitet und im Kirchenamt der mitteldeutschen Kirche werden derzeit zehn der 29 Referate von Frauen geleitet.
"Ein weiblicher Bischof als selbstverständliche kirchliche Praxis würde alles in der Kirche verändern", sagte die Soziologin Ute Gerhard 1989 vor der Krozinger Synode. Der Marsch der Frauen durch die Institution Kirche zeigte Erfolge.
Maria Jepsen aus Hamburg wurde 1992 die erste lutherische Bischöfin weltweit. In Hannover wurde Margot Käßmann 1999 die erste Bischöfin der größten evangelischen Landeskirche. Bis 2008 war Bärbel Wartenberg-Potter Bischöfin im nordelbischen Sprengel Holstein-Lübeck. Auch der Posten der Kirchenjuristen ist längst keine Männerdomäne mehr.
In der Bevölkerung wird die Frage, ob Frauen mehr an kirchenleitenden Aufgaben beteiligt werden sollen, differenziert gesehen, wie sich aus der aktuellen "Männerstudie" ergibt. Die Begeisterung für die Beteiligung von Frauen an der Kirchenleitung war bei Männern 1998 größer als heute. Der Anteil der Befürworter fiel von 44 auf 34 Prozent.
Auch bei Frauen ging die Zustimmung von 49 auf 42 Prozent zurück. Eine Mehrheit von 51 Prozent der Befragten findet, dass auf kirchliche Leitungsposten Frauen gehören. 18 Prozent hingegen halten dies nach wie vor für reine Männersache. Ehrenamtliche Arbeit in der Kirche wird ganz überwiegend von Frauen geleistet.
Dass mit dem Genderthema in der evangelischen Kirche unterdessen entspannter umgegangen wird als vor zwei Jahrzehnten, illustriert das am Freitag in Hannover eröffnete "Evangelische Zentrum Frauen und Männer". Unter diesem Dach gibt es eine gemeinsame Verwaltungsstelle des Verbandes der Evangelischen Frauen in Deutschland und der Männerarbeit in der EKD.
epd-bas/lnb mil / 20.3.2009
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