Karlsruhe/Göttingen (epd). In einem nahezu zehnjährigen Rechtsstreit um die Versetzung des Theologieprofessors Gerd Lüdemann (62) hat das Bundesverfassungsgericht am Mittwoch einen Schlussstrich gezogen. Lüdemann, der sich in den 90er Jahren vom christlichen Glauben abgewendet hatte und daraufhin versetzt wurde, blieb mit seiner Verfassungsbeschwerde ohne Erfolg. Das oberste deutsche Gericht entschied, der Ausschluss eines Theologieprofessors aus der Ausbildung des theologischen Nachwuchses sei mit der Wissenschaftsfreiheit vereinbar. Wie Lüdemann dem epd sagte, will er sich nicht an den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof wenden.
Lüdemann ist seit 1983 Professor in Göttingen. In den 90er Jahren sagte der Theologe sich in Büchern und Interviews vom christlichen Glauben los. Als Reaktion darauf verfügte die Universität Göttingen Ende 1998 im Einvernehmen mit der evangelischen Kirche, dass Lüdemann statt seines früheren Faches "Neues Testament" das neu eingerichtete Fach "Geschichte und Literatur des frühen Christentums" vertreten muss. Dieses Fach ist nicht konfessionsgebunden und für die Ausbildung der Theologen nicht verbindlich. Außerdem strich die Universität die Stelle eines für Lüdemann tätigen wissenschaftlichen Assistenten.
In mehreren Verfahren hatte das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht 2004 die Rechtmäßigkeit der Versetzung bestätigt. Das Gericht ließ aber eine Beschwerde Lüdemanns gegen dieses Urteil zu. Im November 2005 wies das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eine Klage Lüdemanns ab. Damit hatte er auf die Rücknahme der Versetzung und Gewährung einer theologischen Prüfungserlaubnis geklagt.
In seinem Beschluss hält das Bundesverfassungsgericht die Versetzung Lüdemanns aus der theologischen Fakultät in das konfessionslose Fach "Geschichte und Literatur des frühen Christentums" für rechtens. Das kirchliche Selbstbestimmunsgrecht habe Vorrang vor der Wissenschaftsfreiheit, entschieden die Karlsruher Richter.
Sie argumentierten, der Auftrag einer theologischen Fakultät werde wesentlich durch deren Bekenntnismäßigkeit der Lehre bestimmt. Diese sei allerdings gefährdet, wenn die Hochschullehrer öffentlich nicht mehr an den Glaubensüberzeugungen ihrer Kirche festhielten. Eine theologische Fakultät wäre in ihrer Existenz bedroht, wenn die Kirche die dort vertretene Lehre, etwa im Kernfach "Neues Testament" nicht mehr als bekenntnismäßig ansehen und deshalb Absolventen nicht mehr als Pfarrer aufnehmen würde.
epd/epd-lnb bas mir
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18.2.2009