Hildesheim (epd). Die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann und der Schauspieler Ben Becker haben am Reformationstag in einem NDR-Fernsehgottesdienst gemeinsam an das Leben Martin Luthers (1483-1546) erinnert. "Luther hat nicht große Thesen im Studierstübchen verfasst, er hat die Bibel gelesen und mit der Frage nach dem Sinn des Lebens gerungen", sagte Käßmann am Freitag in der Hildesheimer evangelischen St. Andreaskirche. Becker rezitierte dazu Texte des Reformators.
Vor den Kameras fand die Bischöfin kritische Worte gegen einen übertriebenen Fernsehkonsum. Sie freue sich über die Übertragung: "Aber dass Menschen derart viel Lebenszeit vor dem Fernseher verbringen, statt den alten Nachbarn zu besuchen, ihren Kindern vorzulesen oder sich sozial zu engagieren, ist eine Tragödie." Als noch schwieriger empfinde sie es, wenn Menschen im Fernsehen ihre tiefsten Gefühle und intimsten Probleme präsentierten, ohne eine Grenze von Selbstwertgefühl und Scham, sagte Käßmann: "Das zeigt einen Mangel an Selbstachtung und Anerkennung."
Luther habe beim Lesen der Bibel entdeckt, dass Gott dem Einzelnen Lebenssinn zusage, unabhängig von Leistung und der Anerkennung durch andere. Das bringe innere Freiheit und führe in die Verantwortung für andere. Kritisch äußerte sich Käßmann zur aktuellen Bankenkrise. "Wenn in den letzten Jahren immer vom freien Markt die Rede war, der sich selbst reguliert, dann war das eine ganz andere Freiheit als die, von der Martin Luther spricht", sagte sie: "Seine Freiheit bedeutet immer, Verantwortung zu übernehmen für andere, für die Gesellschaft, und nicht, sich selbst so schnell wie möglich zu bereichern."
Ben Becker las in dem Fernsehgottesdienst unter anderem aus einem Brief Martin Luthers an seinen sterbenskranken Vater und aus einem Brief des Reformators zum Tode seiner Tochter. Zudem rezitierte er Auszüge aus den Hauptschriften Luthers. Im Vorfeld des Gottesdienstes hatte der Schauspieler erklärt, er halte Luther für eine sehr spannende Figur: "Er war ein aufgewühlter, zerrissener Mensch, der etwas wollte. Dem Mann ist viel zu verdanken, etwa dass das Volk die Bibel lesen kann. In diesem Sinne war er ein Revolutionär."
Becker hat bereits an einer Fernseh-Dokumentation über Luther mitgewirkt und sich in seinem Bühnen-Projekt "Die Bibel - Eine gesprochene Symphonie" mit Bibel-Texten auseinandergesetzt. Er bezeichnet sich nicht ausdrücklich als Christ, denn er sei nicht im christlichen Glauben verwurzelt. Er wolle aber auch nicht als Nicht-Christ gelten: "Ich habe viele Fragen, denn die Bibel, das Buch der Bücher, ist ein kompliziertes Buch." Nachdenklich machten ihn etwa Luthers Bibelauslegungen zum Thema Schuld.