"Bei uns muss jeder alles können"

Nachricht 03. August 2007

CAP-Märkte bieten Behinderten einen normalen Arbeitsplatz

Bad Iburg/Kr. Osnabrück (epd). Geduldig wartet Sascha, bis seine Kollegen den Einkaufskorb gepackt haben. Einigen Kunden des CAP-Supermarktes in Bad Iburg nahe Osnabrück bringt der 21-jährige Einzelhandelslehrling die Ware bis nach Hause. Der lernbehinderte Sascha liefert aus, räumt Ware in die Regale oder kassiert. Bis vor anderthalb Jahren hat er in den "Beschützenden Werkstätten der Heilpädagogischen Hilfe Osnabrück" gearbeitet. "Mir gefällt hier fast alles", sagt er, "bis auf das frühe Aufstehen."

Der CAP-Markt - abgeleitet vom Wort Handicap - ist ein integrativer Supermarkt. Er bietet Arbeits- und Praktikumsplätze für behinderte und nichtbehinderte Menschen. Die Genossenschaften der Werkstätten für Behinderte im württembergischen Sindelfingen haben das Konzept 1999 entwickelt und im Raum Sindelfingen-Stuttgart die ersten Märkte eröffnet. Mittlerweile gibt es bundesweit 49 CAP-Supermärkte. Der 50. wird Anfang September in Dresden eröffnet.

Auf den ersten Blick ist der "CAP-Markt" ein Supermarkt wie jeder andere. Lediglich die Gänge sind breiter und die Regale niedriger. "Preise und Sortiment unterscheiden sich nicht von anderen Supermärkte", sagt Bernd Gerund, Sprecher der Heilpädagogischen Hilfe Osnabrück, die den Markt in Bad Iburg betreibt. Für die meisten Mitarbeiter ist er dennoch etwas ganz besonderes. "Er gibt ihnen die Chance, trotz ihrer Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen", sagt Gerund.

Elf der insgesamt 14 Mitarbeiter sind behindert und haben bislang in speziellen Werkstätten gearbeitet oder waren arbeitslos. Einige machen zeitlich befristete Praktika, um zu testen, ob sie auch in einem normalen Betrieb arbeiten könnten. Vom Gesetz her muss jede Firma mit 20 und mehr Angestellten Behinderte einstellen. Allerdings lassen sich die meisten durch Zahlung der sogenannten Ausgleichsabgabe davon befreien.

"Die Vermittlungsquote unserer Werkstätten mit 1.800 Behinderten liegt im Promillebereich", sagt Gerund. Eine große Klippe sei paradoxerweise das Arbeitsschutzgesetz. Es sei schwierig, einen einmal eingestellten Behinderten wieder zu entlassen: "Das schreckt viele Betriebe ab." Zudem halte sich entgegen aller Statistiken das Vorurteil, Behinderte seien häufiger krank und weniger leistungsfähig: "Wenn sie gut eingearbeitet werden, sind sie häufig jedoch sogar viel motivierter als ihre nicht behinderten Kollegen."

Marktleiter Carsten Sauer (39) hat in Bad Iburg mittlerweile eine gute Mannschaft zusammen. "Bei uns muss jeder alles können", sagt er. Dafür dürfen aber auch die Behinderten Verantwortung übernehmen und selbstständig Entscheidungen treffen. Der Marktleiter muss dafür sorgen, dass der Umsatz stimmt. Abgesehen von Lohnkostenzuschüssen der Arbeitsagenturen muss der Supermarkt sich dem freien Wettbewerb stellen. "Inzwischen haben wir uns im Stadtteil etabliert", betont Sauer.

Bad Iburg hat noch immer den einzigen CAP-Markt in Niedersachsen. Doch Sauer hat schon Pläne für einen weiteren im Raum Osnabrück. "Die Bürgermeister stehen Schlange", sagt er. Erstmal hat er jedoch als Außenstelle einen Kiosk im Diakonie-Altenwohnstift in Osnabrück eingerichtet: "Den führen drei behinderte Mitarbeiter völlig selbstständig. Und die Bewohner sind begeistert."

Martina Schwager (epd)

(epd Niedersachsen-Bremen/b2221/03.08.07)
Copyright: epd-Landesdienst Niedersachsen-Bremen