Heiligenbilder aus dem Bauernhaus

Nachricht 30. Juli 2007

Ursula Räke ist selbstständige Ikonen-Malerin in Niedersachsen

Uelzen/Hildesheim (epd). Ursula Räke wäscht einen Eidotter so vorsichtig ab, dass er nicht beschädigt wird. Erst als er sauber ist, sticht sie ihn ein und lässt das flüssige Eigelb in eine Tasse laufen. "Die Eier sind von unserem Hof und ganz frisch", sagt die langjährige Hauswirtschaftsleiterin aus Eddelstorf bei Uelzen. Ihre Sorgfalt gilt jedoch keinem Backrezept. Sie mischt das Ei mit Farbpigmenten zu einer Spezialfarbe, die sie für ihren neuen Beruf als Ikonenmalerin braucht.

Im Januar hat sich die 54-Jährige mit dem im Norden seltenen Kunsthandwerk selbstständig gemacht. Auf Holz malt sie Tafelbilder mit Heiligen, Christus oder der Mutter Gottes, wie sie in den Ostkirchen verbreitet sind. "Bei Ikonen wird nicht vom Malen, sondern vom Schreiben gesprochen, weil man sich an Vorgaben orientiert", sagt Räke. Sie richtet sich nach alten byzantinischen Vorlagen. Ihre Lehrmeisterin war die Nonne und Ikonen-Malerin Nektarija Karajcic aus Serbien.

Die orthodoxe Serbin, die heute in Hildesheim wohnt, lebte einige Monate als Gast auf dem Bauernhof in Eddelstorf. Dort führte sie ihre evangelische Schülerin in alte Techniken ein. Sie zeigte ihr, wie dünne Schichten von Blattgold aufgetragen werden und wie die Farbe, die seit dem siebten Jahrhundert für Ikonen verwendet wird, aus Naturmaterialien gemischt wird. Kennengelernt hatten sich die Frauen in einer Kunstschule. Dort belegte Räke Kurse, nachdem sie durch Umstrukturierung ihre Arbeit verlor.

Der handfeste Lehrberuf Hauswirtschaft, auf den einst ihre Eltern bestanden hatten, erwies sich als nicht krisenfest. Als Selbstständige wagt Räke es jetzt, Talent und Neigungen zu folgen. Neben Mut zum Neuanfang braucht sie dafür Geduld. Die Herstellung von Ikonen ist zeitaufwändig. Schon die Vorbereitung des Malgrundes dauert Tage. Immer wieder müssen Farben trocknen, bevor es weitergehen kann. Stets ist höchste Sorgfalt geboten, damit keine Unebenheit den Glanz des Heiligenbildes mindert.

In den Ostkirchen seien Ikonen mehr als dekorative Bilder mit christlichem Inhalt, sagt der evangelische Pastor und Meditationsexperte Gabriel-Alexander Reschke. Sie hätten eine theologische und spirituelle Bedeutung. In der orthodoxen Kirche lege eine Kommission fest, wer ein Ikonen-Maler im religiösen Sinne sei. Doch auch Protestanten könnten einen Zugang zu dieser zunächst fremden Art der Spiritualität finden, sagt Reschke.

Er plant im November in einer evangelischen Kirche in Celle eine Ausstellung, bei der auch Ikonen von Räke gezeigt werden. Mit ihr und Schwester Nektarija will er dort auch einen Ikonen-Malkurs anbieten. Räke selbst hat schon mehr gelernt als handwerkliche Präzision. Sie weiß, wie sie zarte Haarlocken mit ruhiger Hand malen kann. Viel wichtiger sei aber die innere Gelassenheit, betont sie. Sie bete dazu oft "Herr, erbarme Dich": "Wenn man seinen Atem darauf einstellt, wird er gleichmäßig."

Karen Miether (epd)

Internet: www.ikonenmanufaktur.de

(epd Niedersachsen-Bremen/b2190/30.07.07)
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