Hannover (epd). Die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann hat in ihrer Predigt zum Buß-und Bettag an den 18-jährigen Amokläufer aus Emsdetten erinnert. "Wie verbittert, einsam und verzweifelt muss ein junger Mann sein, der mit Tarnanzug und Waffen in seine ehemalige Schule eindringt, auf Mitschüler und Lehrer schießt und sich dann das Leben nimmt?", sagte Käßmann am Mittwoch in der Marktkirche in Hannover.
Sie frage sich, ob das Internet ein verantwortungsfreier Raum sei, sagte die Bischöfin der größten evangelischen Landeskirche in Deutschland weiter: "Haben die Internet-Nutzer seine Hilfeschreie, seine Hasstiraden einfach so hingenommen - nach dem Motto, es geht mich nichts an, wenn einer so drauf ist?" Eine derartige Ausgrenzung sei brutal und führe zu brutaler Gewalt.
Ausgrenzungen gebe es in vielen Bereichen der Gesellschaft, sagte Käßmann weiter. Ausgegrenzt würden Menschen, die nicht so redegewandt seien, deren Ehen scheiterten, die homosexuell liebten oder die ein Alkoholproblem hätten. Sie erhalte viele Briefe, in denen es hieße, solche Menschen gehörten nicht in eine Kirchengemeinde.
Auch Ausländer würden ausgegrenzt. Tatsächlich sei aber kein Mensch illegal und überflüssig. Deshalb müsse es Christinnen und Christen zutiefst alarmieren, dass einer Studie zufolge fast 40 Prozent der Bundesbürger sagten, Deutschland sei "durch Ausländer überfremdet". "Da können wir uns nicht still zurück lehnen, sondern müssen klar für die Würde jedes Menschen eintreten", sagte Käßmann: "Zuwanderer gehören zu unserem Land."
In Deutschland lebten rund eine Million Menschen ohne Aufenthaltspapiere, die als illegal bezeichnet würden. "Aber ein Mensch kann doch niemals illegal sein, weil seine Würde unantastbar ist", sagte die Bischöfin. Die Kirchengemeinden stünden vor der Herausforderung, auch Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus als Kinder Gottes zu sehen: "Sie alle sollten einen Platz haben in unseren Gemeinden."
(epd Niedersachsen-Bremen/b3195/22.11.06)
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Nach Amoklauf fordert Landesbischöfin "Kultur der Achtsamkeit"
Berlin/Hannover (epd). Nach dem Amoklauf in der Emsdettener Realschule hat die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann eine "Kultur der Achtsamkeit" gefordert. Es hätte jemand merken müssen, dass der 18-Jährige am Schluss sehr isoliert gewesen sei, sagte Käßmann am Mittwoch im Deutschlandradio Kultur.
Es gebe in der Gesellschaft eine zunehmende Isolation. Die Familien würden kleiner. Jeder kümmere sich nur um sich selbst, sagte Käßmann. Daher bemühten sich die Kirchen, in den Gemeinden Begegnungen zu schaffen. Es sei gerade bei Jugendlichen, die sich ausgegrenzt fühlten, entscheidend, dass sie Orte hätten, wo sie willkommen seien. Leider stünden gerade kleine kirchliche Initiativen, die nah den jungen Leuten seien, wegen des Sparzwangs der Kirchen immer wieder finanziell auf der Kippe, sagte die Theologin.
Die Vorsitzende des Bundeselternrates, Anja Ziegon, forderte den Einsatz von Sozialarbeitern und -pädagogen an Schulen. Die Länder könnten dabei nicht nur auf kostenneutrale Lösungen setzen. Weder ein Lehrer noch ein "Pate" aus der siebten Klasse könnten ein Auffangsystem schaffen für Kinder, deren Eltern ihrer Erziehungsarbeit nicht gerecht würden.
(epd Niedersachsen-Bremen/b3211/22.11.06)
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