Landesbischöfin nimmt nach Krebserkrankung Dienst wieder auf

Nachricht 30. Oktober 2006

Hannover (epd). Die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann hat zwei Monate nach ihrer Krebsoperation ihren Dienst am Montag wieder aufgenommen. Sie sei sehr dankbar dafür, dass ihr Brustkrebs früh genug diagnostiziert wurde und keine Chemotherapie notwendig war, sagte sie vor Journalisten in Hannover. Die vielen Genesungswünsche hätten sie sehr berührt und gestärkt: "Weder mein Gottvertrauen noch mein fröhliches Herz sind auf der Strecke geblieben."

Sie habe lernen müssen, Geduld mit sich selbst zu haben, sagte die evangelische Bischöfin weiter. "Als ich begriffen habe, dass diese Krankheit nicht in fünf Tagen zu erledigen ist, musste ich schon etwas mit mir ringen." Es habe sie jedoch überrascht, wie viele Emotionen allein der Begriff "Krebs" auslöse. "Eine Brustkrebsdiagnose ist heute kein Todesurteil", betonte die 48-Jährige, "niemand muss deshalb gleich in Panik geraten." Sie rief die Frauen dazu auf, Vorsorge-Untersuchungen wahrzunehmen und offen mit der Krankheit umzugehen. "Es muss niemandem peinlich sein, Krebs zu haben."

Käßmann wird an diesem Dienstag, dem Reformationstag, erstmals wieder bei einem Fernsehgottesdienst in der hannoverschen Marktkirche in der Öffentlichkeit auftreten. Martin Luther habe mit seinem theologischen Denken eine Bewegung in Gang gesetzt, die die Geschichte umgewälzt habe, sagte die promovierte Theologin. Grundwerte wie Freiheit, Gleichheit, das Bewusstsein für die Individualität und die Verantwortung des Einzelgewissens hätten bis heute einen hohen Wert: "Eine Gesellschaft, die durch Umbrüche, soziale Herausforderungen und Zuwanderung herausgefordert ist, tut gut daran, sich darauf zu besinnen."

Mit dem Gottesdienst wolle man dem Grundanliegen der Reformation folgen und neue Wege in der Verkündigung gehen, sagte der evangelische Fernseh- und Hörfunkbeauftragte beim NDR, Pastor Jan Dieckmann. Geplant seien Gespräche, persönliche Statements, Theaterszenen sowie Bibellesungen, Gebete und Gesang. Die ARD überträgt die Feier von 10 bis 11 Uhr.

Margot Käßmann, die in Marburg geboren ist, ist seit 1999 Bischöfin der größten evangelischen Landeskirche in Deutschland mit mehr als drei Millionen Mitgliedern. Seit 2003 ist sie außerdem Mitglied im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland. Sie ist verheiratet und Mutter von vier Töchtern.

(epd Niedersachsen-Bremen/b2907/30.10.06)
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"Auch das Bischofsamt macht nicht unverwundbar" - Margot Käßmann kehrt nach Brustkrebserkrankung zurück ins Amt

Von Ulrike Millhahn (epd)

Hannover (epd). Margot Käßmann lächelt, und ihre Antwort kommt sofort. Auf die Frage, was sie bei ihrem ersten Auftritt in der Öffentlichkeit nach ihrer Krebsdiagnose vor genau zwei Monaten empfindet, antwortet die hannoversche Bischöfin: "Dankbarkeit." Sie habe seit ihrer Operation Ende August viel Zuwendung erfahren: "Manchmal habe ich zwischendurch gedacht, dass Gott hoffentlich nicht ungehalten ist, wenn so viel für mich gebetet wird, obwohl es anderen Menschen viel schlechter geht als mir."

Obwohl die 48-Jährige Medieninteresse gewohnt ist, sagt sie: "Mich hat völlig überrascht, welche Emotionen die Krebserkrankung einer Landesbischöfin ausgelöst hat." Mit ihrem ganz speziellen Humor fügt sie hinzu: "Das Bischofsamt macht ja nun nicht unverwundbar." Und so ist die Mutter von vier Töchtern mit der Brustkrebsoperation und der Strahlentherapie gewohnt unaufgeregt umgegangen: "Ich war die ganze Zeit sehr ruhig, denn wir können ja wirklich nie tiefer fallen als in Gottes Hand."

Ihr fester Glaube, dass sie von Gott gehalten ist, hat Käßmann stets begleitet. Sie wurde 1958 in Marburg als jüngste von drei Töchtern geboren. Ein einjähriger Schüleraustausch in den USA inspirierte sie, evangelische Theologie zu studieren: "Ich wollte mich als Christin einmischen und bin immer für eine lebensfrohe, den Menschen zugewandte Kirche eingetreten." Die fand sie schnell in der weltweiten Ökumene.

Mit Ehemann Eckhard und der einjährigen Tochter Sarah an ihrer Seite wurde die 25-jährige Vikarin bei der Weltkirchenkonferenz in Kanada 1983 jüngstes Mitglied im Zentralausschuss des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK). Nach der Geburt der Zwillinge Hanna und Lea 1986 promovierte sie während des Mutterschutzes beim späteren Generalsekretär des ÖRK, Konrad Raiser. Als Käßmann 1991 bei der ÖRK-Vollversammlung in Australien als einzige Deutsche in den Exekutivausschuss gewählt wurde, war sie mit Nesthäkchen Esther schwanger.

Nach fast 20 Jahren verließ "Mrs. Ökumene", wie sie oft genannt wurde, im September 2002 mit "Trauer und Zorn" den Weltkirchenrat. Hintergrund war dessen Entscheidung, aus Rücksicht auf die orthodoxen Kirchen keine ökumenischen Gottesdienste mehr zu feiern. Käßmann betont aber, dass sie ohne die Erfahrungen beim ÖRK kaum Bischöfin geworden wäre. Am 4. Juni 1999 war die Tochter eines Kfz-Mechanikers mit sieben Stimmen Vorsprung an die Spitze der größten Landeskirche in Deutschland mit mehr als drei Millionen Mitgliedern gewählt worden. Bis dahin leitete sie den Deutschen Evangelischen Kirchentag in Fulda.

Seit 2003 ist die zierliche Theologin, die nebenbei noch etwa ein Dutzend Bücher herausgegeben hat und begeisterte Joggerin ist, außerdem Mitglied im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland. In Hannover schätzen inzwischen auch einstige Kritiker ihren unerschütterlichen Optimismus, ihre schnelle Auffassungsgabe und ihre Disziplin. All dies will sie sich auch bewahren: "Ich freue mich, dass ich am Reformationstag wieder im Dienst sein kann und werde in Zukunft sicher bewusster auch auf persönliche Freiräume achten."

(epd Niedersachsen-Bremen/b2899/30.10.06)
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