Die Häme über das „Bündnis für Erziehung“ ist entlarvend
von Landesbischöfin Margot Käßmann
Zeter und Mordio wurde geschrieen in den letzten Tagen. Ein „Bündnis für Erziehung“ und die beiden christlichen Kirchen sind die ersten Gesprächspartner der Politik – das wird geradezu als staatsgefährdend angesehen. Ich bin überzeugt, wir brauchen ein Bündnis für Erziehung! Dachten bisher alle, erst mit der Schule fange „der Ernst des Lebens“ an, ist inzwischen nachgewiesen, daß die Weichen für Bildung früher gestellt werden. In den ersten drei Lebensjahren entscheidet sich die Beziehungsfähigkeit. Da lernen Kinder den Umgang von Menschen miteinander: Zuwendung und Geborgenheit, Achtung vor dem anderen und Grenzen anerkennen. Oder sie lernen es eben nicht und erfahren gar nicht, daß sie eine eigene Würde haben, ihre Gefühle werden mit Füßen getreten. Das wirkt sich dann dramatisch in ihrem Verhalten gegenüber anderen aus, siehe Potsdam. Vom dritten bis sechsten Lebensjahr nimmt das Lernen eine entscheidende Rolle ein. Wenn Kinder in dieser Zeit nicht gefördert werden, keine Anregungen erfahren, wird keine Neugier am Lernen geweckt, siehe Rütli-Schule.
Kirchen betreuen 1,2 Mio. Kinder
Viele Kinder erfahren solche Geborgenheit und Anregung in der Familie. Viele aber auch nicht. Deshalb ist wichtig, Kindertagesstätten auszubauen zu Eltern-Kind-Zentren, sie zu vernetzen zu Orten der Betreuung, Bildung und Beratung mit den Familien. Hierfür gibt es im „Bündnis für Erziehung“, an dessen Entwicklung sich die EKD auf Beschluß des Rates beteiligt hat, viele wichtige Impulse. Daß die Kirchen für die zuständige Ministerin allererste Gesprächspartnerinnen waren, erklärt sich schlicht daraus, daß sie 72 Prozent aller Kindertagesstätten in freier Trägerschaft verantworten. Sie betreuen täglich in 20.000 Kindergärten rund 1,2 Millionen Kinder. Die Trennung von Kirche und Staat bejahen wir als evangelische Kirche bewusst als wichtig für uns. Aber sie bedeutet doch kein Rede- und Bündnisverbot!
Merkwürdige Abwehrhaltung
Was denn bitteschön christliche Werte überhaupt sein sollten, wurde ich hämisch gefragt. Und dann werden Kreuzzüge, Waffensegnung etc. wie ein Mantra vorgetragen. Dagegen halte ich: Gottvertrauen und Nächstenliebe geben Kindern eine gute Grundlage, um mutig und frei ihren Weg zu gehen. Und mutige und freie Menschen braucht unser Land! Die Zehn Gebote sind auch heute Regeln für ein gelingendes Miteinander – selbst wenn das von manchen belächelt wird. Es kann nicht ständig nach Werten gerufen werden und dann geradezu panisch eine Abwehrhaltung entstehen, wenn wir die Werte der jüdisch-christlichen Tradition als ein Angebot auf dem „Markt der Werte“ einbringen. Da geht es für mich nicht, wie süffisant geschrieben wurde, um ein „Zurück in die 50er Jahre“, sondern um ein „Nach vorn ins 21. Jahrhundert“!
Wer sich als Christ outet ...
Ein letztes: Die Häme, die über Ministerin Ursula von der Leyen ausgeschüttet wird, finde ich entlarvend. Es scheint in der Vorstellung vieler schlicht unerträglich, daß eine Frau glücklich ist als Mutter und kompetent im Beruf. Wenn sie sich obendrein als Christin outet, ist das offenbar geradezu unverzeihlich – anders als bei anderen Outings.
(Die Autorin, Dr. Margot Käßmann (Hannover), ist Bischöfin der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers)
(25.04.06/16:36)
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