„An der Auferstehung von Jesus Christus hängt alles”

Nachricht 14. April 2006

Ein evangelischer Theologieprofessor über Ostern, „Sakrileg” und moderne Bibelübersetzungen

An Ostern bekennt die Christenheit: „Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden.“ Nun gibt es gerade in Theologie und Kirche viele, die gar nicht an die leibliche Auferstehung von Jesus Christus glauben. Im nachfolgenden Interview erklärt Prof. Rainer Riesner, Neutestamentler an der Universität Dortmund, warum mit der Leugnung der Auferstehung das christliche Glaubensbekenntnis zusammenbricht, woher die historischen Verdrehungen im Bestsellerroman „Sakrileg“ stammen und warum Bibelübersetzungsprojekte wie die „Volxbibel“ abzulehnen sind. Die Fragen stellte Marcus Mockler.

idea: Herr Prof. Riesner, aus Ihrer Sicht als Neutestamentler: Ist Jesus Christus nach seinem Tod am Kreuz leiblich von den Toten auferstanden?

Riesner: Ja. Das ist die zentrale Botschaft des Neuen Testamentes, an der alles hängt.

idea: Was hängt daran?

Riesner: Letztlich das ganze christliche Glaubensbekenntnis. Schon ganz frühe Bekenntnisse bezeugen die Auferstehung Jesu Christi aus dem Grab. Streicht man die Auferstehung aus dem Bekenntnis, fällt auch der Rest zusammen.

Außergewöhnlich: Frauen als Auferstehungszeugen

idea: Nun sind Bekenntnisse ja bereits Aussagen über den Glauben. Wer aber nicht glaubt, sondern zweifelt - welche Argumente sollten diesen Menschen überzeugen?

Riesner: Nach dem Zeugnis aller Evangelien erscheint Jesus nach seiner Auferstehung zuerst Frauen. Das ist für die Antike äußerst ungewöhnlich. Dort galten Frauen als wenig vertrauenswürdige Zeugen. Daß keiner der Evangelisten diesen Sachverhalt verschweigt, zeigt, daß es ihnen allen um wahrheitsgemäße Berichterstattung ging. Wäre Christus nicht auferstanden und die Evangelisten hätten die Öffentlichkeit über eine angebliche Auferstehung täuschen wollen – sie wären nie und nimmer auf die Idee gekommen, diese Täuschung mit weiblichen Erstzeugen zu untermauern.

idea: Dennoch tauchten die Berichte über die Auferstehung ja erst einmal im Freundeskreis der Jünger auf. Da hätte man die Zeugnisse im kleinen Kreis schon ein bißchen manipulieren können.

Riesner: Der Auferstandene ist nicht nur seinen Anhängern und Anhängerinnen begegnet, sondern auch einem Skeptiker wie seinem Bruder Jakobus oder später einem erklärten Gegner wie Saulus, der erst durch diese Begegnung zum Nachfolger wurde.

Massen-Halluzinationen gibt es nicht

idea: Was halten Sie von dem Erklärungsversuch, bei den Begegnungen der Jünger mit dem Auferstandenen handele es sich um eine Art „Gruppen-Halluzination“?

Riesner: Mein Heidelberger Kollege Prof. Klaus Berger hat zu Recht darauf hingewiesen, daß die Psychologie Massen-Halluzinationen als Phänomen überhaupt nicht kennt. Bei Einzelnen können tatsächlich Halluzinationen auftauchen, aber wir wissen nicht zuletzt durch den Apostel Paulus, daß der Auferstandene mehreren Menschen gleichzeitig erschienen ist: dem Zwölferkreis der Jünger, einem erweiterten Apostelkreis, einmal sogar über 500 Menschen.

idea: Dann stimmt die Aussage einiger christlicher Historiker, daß die Auferstehung Jesu Christi eines der bestbezeugten Ereignisse der Weltgeschichte überhaupt ist?

Riesner: In dieser Zuspitzung ist das problematisch. Wir haben vertrauenswürdige Zeugnisse von Menschen, die dem Auferstandenen Jesus Christus begegnet sind. Aber natürlich wäre es für die damalige Öffentlichkeit noch eindrucksvoller gewesen, wenn der Auferstandene etwa dem jüdischen Hohen Rat erschienen wäre – am besten während einer Audienz bei Pontius Pilatus. Geistlich-theologisch bedeutet das: Der christliche Glaube ist kein blindes Vertrauen, sondern ein auf guten Gründen basierender Glaube. Aber die Gründe sind nicht absolut zwingend. Es bleibt immer noch ein Vertrauenswagnis, an Gott und seinen auferstandenen Sohn Jesus Christus zu glauben.

Kritik an Auferstehung ist Kritik an biblischem Gottesbild

idea: Warum wird denn die Auferstehung so massiv bestritten – auch innerhalb der Kirche und innerhalb der Theologie?

Riesner: Bei vielen hängt das mit dem Gottesbild zusammen. Gott wird von ihnen noch akzeptiert als ein Garant für Ethik, für das richtige Verhalten. Aber er wird nicht akzeptiert als einer, der direkt in den Lauf der Weltgeschichte eingreift. Doch wenn es ein wahrnehmbares Eingreifen Gottes in die Weltgeschichte gibt, dann ist das die Auferstehung des Gekreuzigten und Begrabenen.

idea: Das heißt: Die Kritik an der Auferstehung ist eine Kritik am neutestamentlichen Gottesbild?

Riesner: Ja. Es ist die Kritik an einem Gott, der in die Geschichte eingreift und dadurch uns Menschen persönlich nahe kommt.

Was ohne die Auferstehung bleibt

idea: Übertreiben es konservative Christen nicht mit dem Beharren auf der leiblichen Auferstehung? So hat etwa der nordelbische Bischof Hans Christian Knuth davor gewarnt, das Ostergeschehen mit Beweisen erklären zu wollen. Ostern erzähle nicht die Geschichte von der Wiederbelebung eines toten Körpers. Was sagen Sie dazu?

Riesner: Die Auferstehung Jesu wird im Neuen Testament immer als Beginn der neuen Schöpfung Gottes gesehen. Es geht also nicht um die bloße Wiederherstellung des Zustandes vor Karfreitag, sondern der Tod ist in der Person Jesu grundsätzlich überwunden. Mit ihm ist der neue Himmel bereits auf die Erde gekommen. Das ist aber kein abstrakter Glaubenssatz, sondern ein reales Geschehen vor der Nordwestmauer Jerusalems nahe der Stätte Golgatha.

idea: Warum ist die Auferstehung so wichtig, daß der christliche Glaube daran hängt?

Riesner: Ohne die Auferstehung blieben vom Glauben einige ethische Lehren, die wichtig und hilfreich sind. Doch letztlich fällt ohne die Auferstehung der Glaube an die Person Jesus Christus weg. Denn sein Anspruch, den er vor Ostern stellte, wäre von Gott nicht akzeptiert, wenn Gott den Gekreuzigten im Grab gelassen hätte. Einen Menschen, der messianische Ansprüche stellt, die dann nicht eingelöst werden – an einen solchen Menschen sollte man besser nicht glauben.

Mißachtung der Märtyrer

idea: Würde ein weniger konkretes Verständnis von Auferstehung nicht reichen im Sinne von: Christus lebt in unseren Herzen und in seiner Gemeinde weiter? Warum muß die Auferstehung leiblich sein?

Riesner: Weil das Neue Testament nur so von der Auferweckung redet. Gott läßt die Welt nicht in Sünde, Schuld und Verwesung, sondern schafft sie neu. Und das zeigt er beispielhaft und zukunftsweisend an seinem gestorbenen Sohn Jesus Christus – in der Auferstehung.

idea: Ist es nicht auch eine Mißachtung der frühen Märtyer, die für den Glauben an den Auferstandenen gefoltert und getötet wurden, wenn wir heute sagen: Auf die Auferstehung kommt’s nicht an?

Riesner: In der Tat sind in diesem Glauben Christen gestorben und sterben bis heute wegen ihrem Bekenntnis zum Auferstandenen. Sie stellen uns die Frage, für wie glaubwürdig wir sie und ihr Bekenntnis halten.

„Sakrileg“ kontra Neues Testament

idea: Wie verläßlich sind eigentlich die Schriften des Neuen Testamentes? Immerhin kommt im Mai der Film „Sakrileg“ – basierend auf dem gleichnamigen Weltbestseller von Dan Brown – ins Kino, der ganz andere Aussagen über Jesus als wissenschaftlich verkauft. So zum Beispiel, daß Jesus mit Maria Magdalena ein Kind hatte.

Riesner: Die Evangelien sind gute, verläßliche Quellen, die uns einen Zugang zu Jesus Christus eröffnen. Wir wissen historisch genügend, um die unsäglichen Behauptungen von „Sakrileg“ widerlegen zu können.

idea: Woher kommt überhaupt diese wilde Phantasie über eine sexuelle Beziehung zwischen Jesus und Maria Magdalena?

Riesner: Solche Spekulationen hat es spätestens seit der Zeit der Aufklärung immer wieder gegeben. Man beruft sich dabei fälschlich auf Schriften außerhalb des Neuen Testamentes. Die Geschichte mit dem gemeinsamen Kind geht auf die Autoren Michael Baigent und Richard Leigh zurück, die Anfang der 80er Jahre damit den Bestseller „Der Heilige Gral und seine Erben“ landeten und dann „Verschlußsache Jesus“ auf den Markt brachten.

Kann man Wahrheit klauen?

idea: Diese Autoren führten – erfolglos – einen Prozeß gegen den „Sakrileg“-Verfasser Dan Brown und behaupten, er habe ihre Ideen geklaut.

Riesner: Ja, und das entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Denn wenn die Theorien von Baigent und Leigh historische Wahrheiten wären, dann könnte man einem anderen Autor ja nicht verbieten, in seinem Roman die historische Wahrheit darzustellen. Wenn sich Baigent und Leigh aber von Dan Brown bestohlen fühlen, dann muß ihr Buch der Kategorie „dichterische Fiktion“ angehören. Ideen kann man stehlen, historische Wahrheiten nicht. Es geht wohl doch auch um das, was auf den Tischen lag, die Jesus im Tempel umgestoßen hat – viel Geld.

idea: Baigents neues Werk „Die Gottes-Macher” hat bereits ein lebhaftes Echo erfahren. In einer Kurzbeschreibung dazu heißt es: „Jesus von Nazareth war nicht Gottes Sohn, er starb nicht am Kreuz, war mit Maria Magdalena verheiratet, und seine Nachkommen begründeten eine dynastische Linie, die bis in die Gegenwart reicht.“ Kann man so ein Buch als Wissenschaftler überhaupt ernst nehmen?

Riesner: Als Wissenschaftler nicht, aber als Christ und demokratischer Staatsbürger muß man schon besorgt sein. In einer Besprechung für die Tageszeitung „Die Welt“ hat Thomas Kielinger das Buch als zwar alternative, aber diskutable Geschichtsschreibung beurteilt. Wenn nicht einmal führende Journalisten zwischen Wissenschaft und Pseudowissenschaft unterscheiden können, sollte man sich über die deutschen PISA-Ergebnisse nicht wundern.

Abstruse Verschwörungstheorien

idea: Daß Sie das als Christ stört, verstehe ich – aber warum auch als Staatsbürger?

Riesner: Baigent, Leigh und Dan Brown, dessen „Sakrileg“ bald die Auflage von 50 Millionen überschreiten wird, arbeiten mit abstrusen Verschwörungstheorien. Waren die Opfer von Verschwörungstheorien früher Juden und Freimaurer, so ist es jetzt der Vatikan. Wer so die historische Wahrheit verdreht, riskiert, daß menschenfeindliche Verschwörungstheorien Glauben finden. Die Unterstellungen von Baigent und Leigh betreffen aber nicht bloß die katholische Kirche, sondern richten sich gegen Grundpfeiler des christlichen Glaubens: die Göttlichkeit Jesu, die Erlösung durch sein Kreuz und seine Auferstehung sowie die Glaubwürdigkeit des Neuen Testamentes.

idea: Ist „Sakrileg“ gefährlich für Christen? Sollte man so was überhaupt lesen, bzw. so einen Film anschauen?

Riesner: Für die meisten von uns ist die Lektüre Zeitverschwendung. Sollte man allerdings merken, daß Buch oder Film im Bekannten- und Freundeskreis auf Interesse stoßen, sollte man sich schon damit beschäftigen. Für die meisten wird es dabei genügen, eines der Gegenbücher zu lesen. Ich empfehle als erste kritische Information die Broschüre „Das Sakrileg unter der Lupe“ (Gerth-Medien, Aßlar) von Nicky Gumbel, dem Erfinder der Alpha-Glaubenskurse. Tiefere Informationen zu den neutestamentlichen Fragen bietet Darrell L. Bock, „Die Sakrileg-Verschwörung“ (Brunnen-Verlag, Gießen). Dieses Buch eines amerikanischen Neutestamentlers stand lange Zeit auf der Bestsellerliste der New York Times. Demnächst erscheint von Alexander Schick „Das wahre Sakrileg“ (Knaur, München), das die Verschwörungstheorien überzeugend widerlegt.

Problematische „gerechte“ Bibel

idea: Ein anderes Thema: In den vergangenen Monaten haben neue Bibelübersetzungen für Aufregung gesorgt. Die „Volxbibel“, die als missionarisches Projekt für junge Leute gedacht ist und dabei auch vor dem Gebrauch von Gossensprache nicht zurückschreckt. Und die von führenden Kirchenvertretern unterstützte „Bibel in gerechter Sprache“, die sogar historische Fakten verdreht, wenn sie etwa von Frauen auf dem Lehrstuhl des Mose spricht, obwohl zu neutestamentlicher Zeit mit Sicherheit keine Frau so ein Amt innehatte. Was halten Sie als Neutestamentler von solchen Übersetzungsprojekten?

Riesner: Als Projekt ist die „Bibel in gerechter Sprache“ sehr ernstzunehmen, weil es sich geradezu um ein offiziöses Unternehmen innerhalb der evangelischen Kirche handelt. Kirchenpräsidenten und Bischöfe haben sich dahinter gestellt. Diese Übersetzung soll offenbar neben die bisher kirchlich verbindliche Luther-Übersetzung treten, sie auf längere Sicht vielleicht sogar ersetzen. Das halte ich für gefährlich. Hier will eine theologische Richtung ihre Bibelübersetzung offenbar zur offiziellen Kirchenbibel machen. Dem muß widerstanden werden. Dieser Widerstand wird allerdings nur in einer sehr großen und sehr bunten Koalition erfolgreich sein.

idea: Ist denn die Lutherbibel in „ungerechter“ Sprache?

Riesner: Ein Teil der modernen Übersetzer wird mit Sicherheit für sich beanspruchen, daß sie den Sinn neutestamentlicher Texte durch die „gerechte Sprache“ treffender wiedergeben als etwa Luther. Darüber kann man im Einzelfall reden. Ich habe allerdings den Eindruck, daß hier auch einseitige theologische Auffassungen an den Bibeltext herangetragen werden. Die „Bibel in gerechter Sprache“ geht ja ganz bewußt von Ansätzen der Befreiungstheologie und der feministischen Theologie sowie einer ganz bestimmten Auffassung des christlich-jüdischen Gespräches aus.

Die „Volxbibel“ – ein evangelikales Eigentor

idea: Der Autor der „Volxbibel“ will nur eine Übertragung der Bibel, um sie für seine Zielgruppe – einen bestimmten Teil der Jugendkultur – verständlich zu machen. Ist das nicht ein erfreulicher Ansatz?

Riesner: In diesem Fall ist es ein evangelikales Eigentor. Wer die „Volxbibel“ befürwortet, kann schlecht gegen die „Bibel in gerechter Sprache“ sein. Ein so freier Umgang mit dem griechischen Urtext und mit dem sprachlichen Niveau der neutestamentlichen Autoren, wie man ihn in der „Volxbibel“ findet, ist der Bibel völlig unangemessen.

idea: Warum darf man sich dem Sprachniveau der Zielgruppe nicht unbegrenzt anpassen? Luther hat doch teilweise sehr derb übersetzt. Und der Begriff Kot taucht schließlich auch im Neuen Testament auf.

Riesner: Man muß schon unterscheiden zwischen dem allgemeinen Sprachniveau und einzelnen Passagen. In der „Volxbibel“ fallen einem die wenigen Stellen gehobener Sprache auf, im Neuen Testament die wenigen Stellen mit derber Sprache. Allein daran kann man sehen, wie verdreht das „Volxbibel“-Projekt ist.

idea: Was bedeutet Ihnen die Auferstehung von Christus persönlich, für Ihr Glaubensleben?

Schon oft stand ich als Pfarrer und in meiner Familie an offenen Gräbern. Jedes offene Grab ist brutal. Besonders betroffen war ich, als mein Schwiegervater, der seelsorgerlicher Freund mancher Politiker war, im Alter von 58 Jahren von Gott abberufen wurde. Angesichts der Schrecklichkeit des Todes ist die Verheißung des Neuen Testamentes um so schöner, größer, wichtiger: Gott, der Jesus Christus von den Toten auferweckt hat, wird dasselbe auch mit uns tun. Das feiern wir an Ostern.

idea: Wir danken für das Gespräch.

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