Tacheles am 4. Oktober 2005, 19.00 Uhr, Marktkirche Hannover
Mit Dr. Erhard Eppler, Ex-Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Bascha Mika, Chefredakteurin der taz, Karoline Beck, Vorsitzende des Bundesverbandes Junger Unternehmer, Prof. Dr. Gert G. Wagner, Vorsitzender der Sozialkammer der Evangelischen Kirche in Deutschland und anderen prominenten Gästen.
Wer auch immer die neue Regierung bilden wird – die großen emotionalen Wahlkampfthemen Arbeit, Wirtschaft und Wachstum werden nicht so schnell von der Tagesordnung verschwinden. Fast fünf Millionen Arbeitslosen stehen Rekordgewinne und Millionengehälter für Manager gegenüber. Ist Raffgier die neue Unternehmensethik? Wo bleibt dabei der Mensch?
„Der bleibt auf der Strecke, wenn ökonomisches Denken im Vordergrund steht“, sagt Bascha Mika, Chefredakteurin „die tageszeitung“ (taz). Es sei gefährlich, sich nur über Leistung zu definieren. Eine Gesellschaft sollte sich vielmehr daran messen lassen, wie sie mit ihren schwächsten Mitgliedern umgeht. Als Chefin eines mittelständischen Betriebes steht sie selbst unter wirtschaftlichen Zwängen - die taz hat permanente Existenzprobleme. Dennoch behält die Chefin den Respekt vor ihren Mitarbeitern. Die wiederum arbeiten zum halben Tarif - plus ideelle „Sonderleistung“: journalistische Freiheit und ein hohes Maß an Mitbestimmung.
Eine Belegschaft, die freiwillig für den halben Lohn arbeitet - das gibt es in der Isoliermaterial-Firma von Karoline Beck nicht. Als Vorsitzende des Bundesverbandes Junger Unternehmer (BJU) vertritt sie rund 2.000 Unternehmerinnen und Unternehmer aller Branchen im Alter bis 40 Jahre, sozusagen die Jugendgruppe des deutschen Mittelstandes, der in Wirtschaftskrisen besonders gebeutelt ist. Sie unterstützt Forderungen auf FDP-Linie wie die nach Lockerung des Kündigungsschutzes, Entmachtung der Gewerkschaften und Abschaffung von Mindestlöhnen. Das FDP-Motto „Weniger Staat ist mehr“ würde Karoline Beck sofort unterschreiben.
Der Staat sei unentbehrlich, hält Erhard Eppler dagegen. Der ehemalige Bundesminister
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Vordenker von Rot-Grün argumentiert gegen eine ökonomisierte Gesellschaft, in der ein abgemagerter Staat allenfalls den rechtlichen Rahmen für den Güteraustausch setzt. Gerade weil der „Turbokapitalismus“ global agiere, werde der Staat wieder wichtig. Allerdings nicht mehr auf nationaler Ebene. Der erste Schritt, so Eppler, sei ein starkes Europa mit Staatskompetenzen. Moralische Maßstäbe mag der „fromme Linke“ in dieser Diskussion nicht ansetzen, denn den Einfluss der Kirchen hält er für sehr begrenzt.
Kirche müsse sich einmischen, hält Gert G. Wagner dagegen. Der Volkswirtschaftsprofessor an der TU Berlin ist davon überzeugt, dass sie einen starken Einfluss auf das ethische Handeln der Unternehmer hat. Der Wirtschaftsexperte, der auch Vorsitzender der Sozialkammer der Evangelischen Kirche in Deutschland ist, meint aber auch, dass Arbeitslose eine „unterwertige Beschäftigung“ annehmen sollten: „Es ist außerhalb des Paradieses unvermeidbar, dass nicht jeder für seine ursprüngliche Qualifikation einen Arbeitgeber findet.“
Es moderieren Hanna Legatis (NDR) und Pastor Jan Dieckmann (Ev. Radio- und Fernsehkirche im NDR).
TV-Hinweis Phoenix, der Ereignis- und Dokumentationskanal von ARD und ZDF, überträgt die Debatte am Mittwoch, 5. Oktober, 17.00 Uhr, Samstag, 8. Oktober, 22.15 Uhr, Sonntag, 9. Oktober, 17.00 Uhr.
Hörfunk NDR Info, das Informationsprogramm des Norddeutschen Rundfunks, strahlt eine Zusammenfassung der Debatte am Mittwoch, 5. Oktober, um 19.35 Uhr aus.
Internet Hintergrundinformationen zur Sendung sind im Internet zu lesen unter www.tacheles.net, dort wird auch bereits im Vorfeld der Sendung diskutiert und die Debatte im Anschluss dokumentiert.
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