Ein Gradmesser der politischen Befindlichkeit

Nachricht 04. Mai 2005

Der Kirchentag in Hannover sucht nach Antworten auf große Fragen der Zeit

Von Burkhard Saul (epd)

Hannover (epd). Er soll ein Fest des Glaubens und der Begegnung werden: Rund 100.000 Dauerteilnehmer werden vom 25. bis 29. Mai in Hannover zum 30. Deutschen Evangelischen Kirchentag erwartet. Zugleich sollen unter dem Leitwort "Wenn dein Kind dich morgen fragt ..." christliche Antworten auf die großen Fragen der Zeit gesucht und gefunden werden.

Das Treffen in Hannover erhebe durchaus den Anspruch, "eine evangelische Zeitansage" zu sein, sagt Kirchentagspräsident Eckhard Nagel. Der 44-jährige Mediziner und Professor wünscht sich ein "offenes, freimütiges und, wo nötig, auch streitbares Forum des Dialogs".

Zwei Jahre nach dem ersten Ökumenischen Kirchentag in Berlin glaubt Generalsekretärin Friederike von Kirchbach, dass das Thema Ökumene in Hannover deutlich stärker im Mittelpunkt stehen wird als bei vorangegangenen Protestantentreffen. Starken Zuspruch erwartet sie zudem bei den Angeboten zur Spiritualität, wozu auch ein Vortrag von TV-Pfarrer Jürgen Fliege zählt.

Die großen politischen Diskussionen in Hannover laufen in der "Themenhalle Globalisierung" und im "Zentrum Heimat". Den Herausforderungen der weltweiten wirtschaftlichen Vernetzung soll die Frage nach der eigenen Identität gegenüber gestellt werden, sagt Kirchentagssprecher Rüdiger Runge. Er erwartet einen starken internationalen Akzent. Unter anderen wird Bundeskanzler Gerhard Schröder mit Friedensnobelpreisträgerin Wangari Maathai über die Bedeutung von ethischen Werten in der Wirtschaft und Partnerschaft zwischen Nord und Süd diskutieren.

Die drei Themenbereiche des Treffens sind mit einfachen, aber für die Zukunft zentralen Fragen überschrieben: "Wie können wir glauben?"
heißt es im ersten Bereich, der nach der Zukunft von Kirche und Glauben fragt und sich mit Ökumene, Spiritualität und dem Dialog der Weltreligionen befasst. Im Themenbereich zwei "Wie wollen wir leben?" geht es um neue Entwürfe für eine lebenswerte Gesellschaft und im dritten Bereich "Wie sollen wir handeln?" wird nach sinnvollen Reformen und der Zukunft der Marktwirtschaft gefragt.

Für Zündstoff ist durch zahlreiche Auftritte von Spitzenpolitikern gesorgt: Bundespräsident Horst Köhler begnügt sich nicht mit Grußworten am Eröffnungsabend, sondern diskutiert gleich bei zwei Veranstaltungen mit. Neben dem Bundeskanzler werden auch Außenminister Fischer, Innenminister Schily, CDU-Chefin Merkel und Bundestagspräsident Thierse erwartet. Auch Altbundespräsident Richard von Weizsäcker wird sich in die Debatte einschalten und dafür sorgen, dass der Kirchentag zu einem Gradmesser der politischen Befindlichkeit in Deutschland werden könnte.

Der Kirchentag will auch geistliche Orientierung bieten. Dafür werden nicht nur die Repräsentanten der beiden großen Kirchen, Bischof Wolfgang Huber und Kardinal Karl Lehmann, sorgen. Auch der Zenmeister und Meditationslehrer Williges Jäger sowie der Bestsellerautor und Benediktinerpater Anselm Grün werden die Massen anziehen.

Publikumsrenner werden voraussichtlich die Open-Air-Konzerte von Heinz Rudolf Kunze, der eine Kirchentags-Hymne komponierte, den Wise Guys und des Dresdner Kreuzchores sein. Auch Aufführungen einer modernen Neufassung des "Messias" von Georg Friedrich Händel sowie des Musicals "Das Kreuz" mit der Sängerin Milva soll ein großes Publikum ansprechen.

Vor der eigentlichen Eröffnung des Kirchentags wird am Mittwochvormittag in einer Gedenkstunde an die Opfer der NS-Psychiatrie in Wunstorf bei Hannover erinnert. Am Abend soll dann erstmal gefeiert werden: Nach den fünf festlichen Eröffnungsgottesdiensten in Kirchen und auf Plätzen schließt sich der traditionelle "Abend der Begegnung" in der Innenstadt an, zu dem rund 300.000 Besucher erwartet werden. Den Abschluss des Kirchentages bildet am Sonntag ein Abendmahlsgottesdienst, der wegen des erwarteten großen Andrangs diesmal nicht abseits in einem Stadion, sondern auf dem zentralen großen "Schützenplatz" gefeiert wird.
(epd Niedersachsen-Bremen/b1396/04.05.05)

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