Vizepräsident Krämer: Hannoversche Kirchensteuer im freien Fall

Nachricht 18. Juni 2004

Verden (epd). Die Kirchensteuereinnahmen der hannoverschen Landeskirche befinden sich nach Aussage ihres Finanzdezernenten Rolf Krämer im freien Fall. Im vergangenen Jahr habe die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers mit 414 Millionen Euro inflationsbereinigt etwa 25 Prozent weniger Kirchensteuern eingenommen als etwa zehn Jahre zuvor, sagte der Vizepräsident des Landeskirchenamtes am Donnerstagabend in Verden bei Bremen.

Die Kirchensteuer ist durch die Steuerreform stärker als erwartet zurückgegangen. Neben der derzeit gültigen Kürzungsquote von sechs Prozent müssten bis Ende des Jahrzehntes noch einmal zehn Prozent des Etats gestrichen werden, kündigte Krämer an. Deshalb seien bereits im laufenden Haushaltsjahr Mittel für Bau- und Sachkosten sowie weitere Zuweisungen gekürzt und eine Wiederbesetzungssperre ausgesprochen worden.

Während der jüngsten Synode Anfang Juni hat die Landeskirche ihren Etat mit einem Nachtragshaushalt um acht Millionen Euro auf knapp 511,5 Millionen Euro zurückgefahren, um den Einbruch der Kirchensteuereinnahmen zu berücksichtigen. Krämer rechnet in den kommenden Jahren trotzdem mit hohen Defiziten. Sie summierten sich bis 2010 bei konsequenten Kürzungen auf 300 Millionen Euro, erläuterte er. Falls nicht reagiert werde, seien es mehr als 500 Millionen Euro.

"Wenn nicht gegengesteuert werde, ist die Situation 2010 nicht mehr zu schultern und nimmt uns jeden Gestaltungsspielraum", warnte Krämer.
Dann würde der seit 1995 eingeschlagene langsame Sinkflug der Landeskirche in einen hektischen Sturzflug münden. Haushaltstechnisch müsse die Kirche so planen, dass spätestens 2011 alle Ausgaben durch Einnahmen gedeckt seien.

"Das ist eine Herkulesaufgabe, die wir sofort anpacken müssen", betonte Krämer. Zu dem herkömmlichen Kirchensteuersystem gebe es allerdings keine Alternative. Es sei kostensparend und effektiv. Es müsse allerdings durch zusätzliche Finanzierungsinstrumente wie Sponsoring, Stiftungen, Fördervereine und Spenden ergänzt werden.
Krämer warnte angesichts der dramatischen Finanzsituation vor Jammerei. "So werden wir die Menschen nicht gewinnen." Trotz aller Kürzungen müsse die Kirche gesellschaftlich Impulse setzen und attraktive Angebote machen.

Der Haushalt finanziert sich derzeit zu fast 80 Prozent aus Kirchensteuern. Die hannoversche Landeskirche ist mit etwa 3,1 Millionen Mitgliedern die größte in Deutschland und gehört zu den wichtigsten Arbeitgebern in Niedersachsen. Sie beschäftigt knapp 25.000 Angestellte und etwa 2.000 Pastorinnen und Pastoren. Rund 100.000 Menschen engagieren sich ehrenamtlich in Gemeinden und kirchlichen Werken. (epd Niedersachsen-Bremen/b1846/18.06.04)