Kopftuch spaltet auch die Religionen in Niedersachsen

Nachricht 26. Februar 2004

Protestanten gemeinsam mit Türken und liberalen Juden für Verbot

Von Burkhart Vietzke (epd) =

Hannover (epd). Der Streit um ein Kopftuchverbot in Niedersachsen spaltet auch die Religionsgemeinschaften. Bei einer öffentlichen Anhörung im Kultusausschuss des Landtags am Donnerstag in Hannover war die evangelische Kirche für das Verbot, die katholische dagegen. Für die Türkische Gemeinde hat das Kopftuch in der Schule nichts verloren, der Zentralrat der Muslime dagegen hält es für ein Berufsverbot, wenn die Lehrerin nicht ihr Kopftuch tragen darf. Auch die jüdischen Vertreter äußerten sich gegensätzlich: Liberale wollen ein Verbot, Orthodoxe sind dagegen.

Die CDU/FDP-Landesregierung will mit einer Änderung des Schulgesetzes muslimischen Lehrerinnen das Tragen des Kopftuchs verbieten, christliche und jüdische Symbole aber erlauben. Dennoch warnte der Leiter des Katholischen Büros, Felix Bernard, ein solches Verbot könnte ein erster Schritt in einen "laizistischen Staat" sein, der alle religiösen Symbole in der Schule verbietet.

Das Kopftuch und das christliche Kreuz seien deutlich voneinander zu unterscheiden, sagte Kerstin Gäfgen-Track für die Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen. Das Kopftuch sei auch ein politisches Symbol, das als Widerspruch gegen die verfassungsmäßige Gleichberechtigung von Mann und Frau verstanden werden könnte. Das Recht der Schüler, davon nicht beeinflusst zu werden, sei höher anzusetzen als die Religionsfreiheit der Lehrerin.

Adnan Kuybu von der Türkischen Gemeinde Niedersachsen sprach sich für ein Verbot aller religiösen Symbole in der Schule aus. Auch eine muslimische Beamtin müsse die Neutralitätspflicht des Staates akzeptieren. Ihr das Kopftuch zu gestatten, wäre falsch verstandene Toleranz und ein Hemmnis für die Integration. Forderungen wie getrennter Sportunterricht für Mädchen hätten mit dem Islam nichts zu tun und kämen von einer kleinen radikalen Minderheit, betonte Kuybu.

Für Nadeem Elyas vom Zentralrat der Muslime in Deutschland dagegen würde ein Verbot die Religionsfreiheit muslimischer Frauen verletzen. Das Tragen eines Kopftuchs sei für Frauen eine unumstrittene Bekleidungsvorschrift im Islam. Gegen ein Verbot sprachen sich auch die Diplompädagogin Ayhan Sönmez und Omar Abo-Namoüs von der Schura Niedersachsen aus.

Katarina Seidler vom Landesverband der israelitischen Kultusgemeinden lehnte die Einstellung von Lehrerinnen, die auf ihrem Kopftuch bestehen, grundsätzlich ab. Das Kopftuch sei zu einem "mächtigen Symbol" für einen Islamismus geworden, der eine andere politische und gesellschaftliche Ordnung wolle. Die Integrationspolitik habe ihr Ziel verfehlt, wenn man Minderheiten nicht klar mache, welche Maßstäbe auch sie einhalten müssten, sagte die liberale Jüdin.

Michael Fürst vom vorwiegend orthodoxen Landesverband der jüdischen Gemeinden vermisste in dem Gesetzentwurf eine wirkliche Gleichstellung der Religionen. Man sollte nicht den Kulturkampf anderer Länder in Deutschland "nacharbeiten", sagte er und verwies auf die Zahl von höchstens 25 Fällen in ganz Deutschland. Wie andere Gegner eines generellen Kopftuchverbots befürwortete er den Ansatz der Grünen im Landtag, Konflikte im Einzelfall und vor Ort zu regeln. (epd
Niedersachsen-Bremen/b0573/26.02.04)
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