Am Sonntag, 27. April 2003, ist die evangelische Theologin Dorothee Sölle 73-jährig gestorben. Die evangelische Theologin war auch als Friedensaktivistin, Feministin und Autorin zahlreicher Bücher bekannt. Sie gilt als meistgelesene theologische Autorin der Gegenwart. Zu ihren Publikationen gehören "Stellvertretung - Ein Kapitel Theologie nach dem Tode Gottes" (1965), "Atheistisch an Gott glauben" (1968), "Welches Christentum hat Zukunft?" (1990) und "Mystik und Widerstand" (1997).
Links:
Nachruf von Landesbischöfin Margot Käßmann
Nachruf des Ratsvorsitzenden der EKD Manfred Kock
Nachruf von Robert Leicht in "Der Tagesspiegel"
epd-Meldung
Ein Nachruf für Dorothee Sölle von Landesbischöfin Margot Käßmann:
"Dorothee Sölle war eine ungeheuer kreative theologische Denkerin. Sie hat gewiss manche Menschen provoziert - aber doch stets provoziert zum eigenen Nachdenken. Das habe ich stets als gut protestantisch empfunden. Ohne sie hätten das Politische Nachtgebet und die Feministische Theologie wohl kaum den Weg auf die Kirchentage und von dort in die Gemeinden gefunden. Wie viele Anregungen hat sie gegeben!
Fragen von Gerechtigkeit und Frieden haben sie stets umgetrieben, sie wollte im besten Sinne des Wortes die Welt verbessern. Und da konnte sie sich dann nicht raushalten, hat sich persönlich engagiert. Dass sie ihr großes Alterswerk zum Thema Mystik geschrieben hat, finde ich ungeheuer spannend. Das Engagement in der Welt und die Dimension des Glaubens waren für sie nicht zu trennen.
Am meisten berührt haben mich stets ihre Gedichte. Sie zeigen ihre große Gabe, Sprache zum klingen zu bringen, sie spiegeln ihre Liebe zum Leben. Vielleicht, hat Philip Potter einmal gesagt, ist die eigentliche Sprache der Theologie die Poesie... Ich erinnere mich am liebsten an ein längeres Gespräch während des Münchener Kirchentages 1993. Da erzählte Dorothee, sie habe einmal ein Gedicht für ihre Töchter geschrieben mit dem Titel: "Räumt doch eure Zimmer auf". Diese liebevolle, humorvolle Seite ist viel zu wenig gewürdigt worden.
Dass Dorothee Sölle gestorben ist, ist ein großer Verlust für unsere Kirche, da wird eine heilsame Unruhe fehlen. Dass sie auf einer Tagung in Bad Boll zum Thema Glück an der Seite ihres Mannes gestorben ist, das erscheint mir wie eine berührende Idee Gottes - es passt zu Dorothee Sölle."
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Kock: Keine Randposition! - Dankbares Erinnern an Dorothee Sölle
EKD-Ratsvorsitzender zum Tod der Theologin
In einem persönlichen Schreiben an Fulbert Steffensky, den Ehemann der am Sonntag, dem 27. April, verstorbenen Theologin Dorothee Sölle, hat der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Manfred Kock, auf die breite Wirkung ihrer theologischen und politischen Arbeit hingewiesen. "Ich bin mit großem Dank erfüllt über das, was sie für das Denken und den Weg unserer Kirche bedeutet hat", schrieb Kock.
Die atemberaubende Radikalität, mit der Dorothee Sölle die Jesusnachfolge formuliert und gelebt habe, sei prägend gewesen für sein eigenes Denken und Reden wie auch für den Weg der evangelischen Kirche. Die Tatsache, dass Dorothee Sölle kein offizielles kirchliches Amt innegehabt habe, besage nichts über den Wirkungskreis ihrer Theologie und ihres publizistischen Schaffens. "Was die Kirche dem Denken Dorothee Sölles verdankt, ist längst nicht mehr eine 'Randposition'. Es ist eine deutliche Linie unserer Kirche geworden, die sie vor der Konventikelhaftigkeit bewahrt", so Kock.
Sie habe ihre Anliegen unter anderem durch das Forum des Deutschen Evangelischen Kirchentages einem breiten ökumenischen Publikum vermittelt. Mit ihrem Hinweis "Kirche ist auch außerhalb der Kirche" habe sie viele Menschen weit über den Bereich der Kirchen hinaus angesprochen. Ihre tiefe Spiritualität habe in den Kernanliegen ihrer theologisch-politischen Existenz eine wichtige Rolle gespielt, etwa wenn es ihr darum ging, Gottes Barmherzigkeit "nicht als eine Alternative zur Gerechtigkeit, sondern als ihren tiefsten Ausdruck" begreiflich zu machen, oder Glauben und Handeln als Einheit von Aktion und Kontemplation zu reflektieren.
Die evangelische Theologin war am Sonntag, dem 27. April, im Alter von 73 Jahren an den Folgen eines Herzinfarktes gestorben. Die Trauerfeier für Dorothee Sölle findet am 5. Mai 2003 um 11 Uhr in der Hauptkirche St. Katharinen in Hamburg statt. Die Traueransprache hält Bischöfin Bärbel Wartenberg-Potter.
Hannover, den 28. April
Pressestelle der EKD
Silke Fauzi
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Dorothee Sölle: Sie fürchtete den Streit nicht
Die unbequeme evangelische Theologin Dorothee Sölle ist im Alter von 73 Jahren gestorben
Von Marion Menne und Burkhard Saul (epd)
Hamburg (epd). Sie war eine Frau, die den Streit nicht fürchtete und seit mehr als 30 Jahren in Politik und Kirche nicht wegzudenken war: Die Hamburger Theologin Dorothee Sölle ist überraschend am Sonntag im Alter von 73 Jahren im baden-württembergischen Göppingen an den Folgen eines Herzinfarktes gestorben. Sie hatte dort mit ihrem Ehemann, dem Theologieprofessor Fulbert Steffensky, an einer Tagung der Evangelischen Akademie Bad Boll teilgenommen.
Am Samstag abend musste die habilitierte Theologin und Friedensaktivistin in ein Krankenhaus der Stadt eingewiesen werden. Sie starb dort am Sonntag vormittag. Sölle war Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre durch ihre provokanten «Politischen Nachtgebete» in Köln und ihre «Theologie nach dem Tode Gottes» bekannt geworden.
Sie war der Star vieler evangelischen Kirchentage. Ihre Veranstaltungen dort mussten oft wegen Überfüllung geschlossen werden. Ihren letzten Auftritt hatte die renommierte Wissenschaftlerin noch kurz vor ihrem Tod bei der Tagung mit dem Thema «Gott und das Glück» in Bad Boll. Sie trug dort eigene poetische Texte vor.
Die Literaturwissenschaftlerin und Publizistin, die der Befreiungstheologie nahe stand und zwölf Jahre in New York lebte, spaltete mit ihrer manchmal radikalen Kritik oft die Gemüter. Glück sei das Grundgefühl, das sie trage. Zufriedenheit jedoch wolle sie nicht, denn die sei eine Reduktion der Fähigkeiten, sagte sie in einem Interview. In diesem Sinn ist Dorothee Sölle nicht müde geworden, für soziale Gerechtigkeit, den Schutz der Umwelt und die Sicherung des Friedens zu kämpfen.
Ihr politisches Engagement erklärte die Mutter von vier Kindern in ihrem Buch «Zur Umkehr fähig» mit ihrer Überzeugung, dass Gott kein «allmächtiger Vater», sondern auf die Menschen angewiesen sei. Sölle wehrte sich dagegen, alles Leid «gottgegeben» hinzunehmen. Stattdessen sei es Aufgabe der Christen, aus dem Leiden Kraft zu ziehen und das Veränderbare zu verändern. Die Aufforderung Gottes zum Handeln sah die Theologin in der Bergpredigt.
Dorothee Sölle war in den 70er Jahren prominentes Mitglied der Friedensbewegung. Mit der Organisation der «Politischen Nachtgebete» in Köln zog sie die Kritik der katholischen wie der evangelischen Kirche auf sich. Nach ihrer Aufsehen erregenden Rede vor der Vollversammlung des Weltkirchenrates im kanadischen Vancouver 1983 distanzierte sich die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) offiziell von der Professorin.
Sölle hatte der europäischen und nordamerikanischen Kirche «Militarismus» und «Apartheidstheologie» gegenüber der Dritten Welt vorgeworfen. Bis zu ihrem Tod zog die unbequeme Theologin bei ihren Auftritten viele Menschen an. Ihr letztes Werk allerdings konnte sie nicht mehr vollenden. Ihr Buch «Mystik des Sterbens» konnte sie nicht mehr vollenden.
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