Demonstranten schlafen im Wendland auch in Gemeindehäusern
Von Karen Miether (epd)
Dannenberg/Hitzacker (epd). Im evangelischen Gemeindehaus in Dannenberg reihen sich Schlafsäcke aneinander. Rund 100 Atomkraftgegner übernachten dort seit Sonnabend. Wie die 15-jährige Paula aus Bremen wollen sie demonstrieren, "damit die Politiker sehen, dass wir gegen den Castor-Transport sind".
In Dannenberg habe die Gemeinde beschlossen, Gemeindehaus und Kirche zu öffnen, "wenn Demonstranten Obdach suchen", sagt Superintendent Peter Kritzokat. Ähnlich ist es in anderen Kirchengemeinden an der Strecke, über die in den kommenden Tagen zwölf Behälter mit radioaktivem Müll ins niedersächsische Gorleben gebracht werden sollen.
Im Gemeindehaus in Hitzacker schlafen Demonstranten, obwohl noch nicht alle Schäden der Elbeflut beseitigt sind. Küsterin Margret Warncke denkt dankbar an die Hilfe der Polizei in den Tagen des Hochwassers zurück. Sie betont zugleich, dass es mit den Gästen aus dem Lager der Anti-Atom-Aktivisten keine schlechten Erfahrungen gebe. "Nachts ist es manchmal chaotisch, aber die meisten sind nett und dankbar."
Bei Kälte Quartier zu bieten ist nach Überzeugung der Kirchenleute ein Beitrag gegen Gewalt im Castor-Konflikt. "Die Kirchen sind als Oasen der Ruhe für Körper und Seele aller Konfliktbeteiligten geöffnet", steht in Hitzacker angeschlagen. In der Woche des Castor-Transportes erklingt dort täglich "Orgelmusik zur Friedensdekade".
Superintendent Kritzokat tritt gegen das Urteil mancher Polizeibeamter ein, dass vor allem von außerhalb anreisende Demonstranten gewaltbereit seien: "Das sind Menschen, die für ihre Meinung Flagge zeigen." Pauschal und ohne Nachweis dürfe man sie nicht zu Straftätern machen. Die 20-jährige Sigrid aus dem Schwarzwald ist überzeugt, dass sie mit ihrem Protest auch das Anliegen vieler Christen vertritt. Darum nimmt sie die Gastfreundschaft der Kirche gern an, auch wenn sie selbst mit dem christlichen Glauben Probleme hat.
Auf einer Wiese in Hitzacker weist ein Schild auf das Nachtquartier im Gemeindehaus hin. Die Stadt hat das Gelände für ein Camp von Atomkraft-Gegnern, das es dort in der Vergangenheit gab, nicht zur Verfügung gestellt. Verpflegung und Informationen für die Demonstranten gibt es jetzt auf einem Gutshof. Dorthin ist die "Volxküche" umgezogen, auf Einladung von Jutta Freifrau von dem Bussche, die sich seit Jahrzehnten gegen Atomkraft engagiert.
Gastfreundschaft hat in den Tagen des Castor-Transportes unterschiedliche Ausprägungen. Einige Bürger Hitzackers laden per Flugblatt Menschen zum Kaffee ein, wenn der Castor-Zug Lüneburg erreicht. Auf der Rückseite wird zu einer Sitzdemonstration auf den Schienen bei Hitzacker aufgerufen. (epd Niedersachsen-Bremen/b2567/11.11.02)
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