Würde des Menschen schützen / EKD-Thesen im Wortlaut

Nachricht 12. November 2002

“Kundgebung” der EKD-Synode zu Fragen des Menschseins vom Embryo bis zum Sterbebett
T i m m e n d o r f e r S t r a n d (idea) – Für die Anerkennung und den Schutz der Würde jedes Menschen in der ganzen Spanne des Lebens hat sich die Synode der EKD in Timmendorfer Strand ausgesprochen. Bei einer Gegenstimme und einer Enthaltung beschloß das “Kirchenparlament” am 7. November eine “Kundgebung” zum Schwerpunktthema “Was ist der Mensch?”. Darin nimmt sie Stellung zu zahlreichen Aspekten menschlichen Lebens – vom Embryo bis zum Sterbebett. Das Papier spricht von der Gegensätzlichkeit menschlicher Existenz: “Was ist der Mensch, der sich erhebt und seinen Bruder erschlägt? Was ist der Mensch, der sein Leben einsetzt um andere zu retten?” Die ihm von Gott gegebene Würde werde zwar vielfach mit Füßen getreten und mißachtet, aber sie gehe dadurch nicht verloren. Und durch den Glauben an Jesus Christus werde der sündige Mensch vor Gott gerechtfertigt.

Kein Recht, von Krankheit verschont zu bleiben
Die Kundgebung hebt unter anderem die Bedeutung des Lebens in Gemeinschaft hervor. Die evangelische Kirche trete ein für die “elementaren Beziehungen zwischen Mann und Frau in der Ehe, zwischen Eltern und Kindern in der Familie”. Gleichzeitig unterstütze sie Freundschaften und Partnerschaften, die ein Leben in verläßlichen Beziehungen ermöglichen. Sie fördere auch die Begegnung zwischen Menschen aus unterschiedlichen Kulturen und Religionen. Im Blick auf die medizinische Forschung heißt es, man bejahe die Suche nach neuen Heilungsmöglichkeiten, lehne aber alle Forschungs- und Therapiemethoden ab, durch die Menschen bloß als Mittel für die Heilungschancen anderer gebraucht würden: “Menschen haben einen Anspruch auf medizinische Hilfe und Beistand in der Situation der Krankheit und beim Sterben; ein Recht, von Krankheit oder vom Tod verschont zu bleiben oder befreit zu werden, gibt es freilich nicht.”

Gegen aktive Sterbehilfe
Aktive Sterbehilfe lehnt die EKD in der Kundgebung ab; sie setzt sich statt dessen für eine Sterbebegleitung ein, etwa mit Hilfe der Schmerztherapie und der Hospizbewegung. Mit einer Legalisierung der Sterbehilfe entstünde nicht nur ein Rechtsanspruch von Sterbenden auf vorzeitige Beendigung ihres Lebens, sondern auch ein Anspruch an Sterbende, von diesem Recht Gebrauch zu machen, sobald sie den Eindruck hätten, anderen zur Last zu fallen.

Für ergebnisoffene Schwangerschaftskonfliktberatung
Durch keine Behinderung dürfe die Würde und das Lebensrecht von Menschen in Frage gestellt werden. Anlaß zu großer Besorgnis gebe, daß eine vor der Geburt festgestellte Behinderung inzwischen fast selbstverständlich zum Grund für eine Abtreibung werde. Es dürfe auch keinen Schritt in Richtung auf eine eugenische Selektion geben, etwa durch die Präimplantationsdiagnostik. Ferner setzt sich das Papier für einen Abbau der “erschreckend hohen Zahl” von Abtreibungen ein. Es bekräftigt die “ergebnisoffene, aber zielorientierte Schwangerschaftskonfliktberatung”, wie sie in evangelischen Beratungsstellen geleistet wird. In weiteren Abschnitten nimmt die Kundgebung unter anderem zu Fragen der Wirtschaft, der Ökologie und der Bildung Stellung. (133/2002/6)

“Was ist der Mensch?”
Die acht zentralen Thesen, die die EKD-Synode zu ihrem Schwerpunktthema beschloß

Schwerpunktthema der Synode der EKD vom 3. bis 8. November in Timmendorfer Strand war die Frage “Was ist der Mensch?”. Das “Kirchenparlament” beschloß dazu u. a. acht zentrale Thesen, die idea im Wortlaut dokumentiert:

“Der Mensch ist Gottes Geschöpf” – Das heißt: Sein Leben ist ihm gegeben. Er existiert in leib-seelischer Einheit. Er ist als Mann und Frau geschaffen. Er ist gewollt und bejaht. Er ist endlich und begrenzt. Er ist mehr, als er aus sich machen kann. Er soll nicht sein wollen wie Gott.

“Der Mensch ist zum Bild Gottes geschaffen” – Das heißt: Er hat eine Bestimmung: Er ist von Gott angeredet und soll ihm antworten. Er ist berufen zur Gemeinschaft mit Gott in Freiheit. Das verleiht ihm seine unverlierbare Würde. Ihm ist die Welt zu verantwortlicher Gestaltung anvertraut. Er soll am ewigen Leben in Gottes Reich teilhaben.

“Der Mensch ist ein Beziehungswesen” – Das heißt: Menschsein ist In-Beziehung-Sein. Niemand ist eine Insel. Mensch ist, wer von Menschen abstammt. Jeder Mensch existiert in der dreifachen Beziehung: zu seinen Mitgeschöpfen, zu sich selbst und zu Gott. Jeder braucht die Gemeinschaft mit anderen und sie brauchen ihn.

“Der Mensch ist ein unverwechselbares Individuum” – Das heißt: Er ist einmalig und einzigartig. Dafür steht sein Gesicht, seine Gestalt, sein Name. Seine besonderen Gaben und Grenzen, sein Charakter und seine Lebensgeschichte machen seine Individualität aus, die Achtung und Respekt verdient.

“Der Mensch ist Sünder” – Das heißt: Sein Leben ist zerrissen. Das erlebt er als Opfer und als Täter. Die Beziehung zu Gott, zum Mitgeschöpf und zu sich selbst ist durch die Sünde in der Tiefe gestört durch das Mißtrauen gegenüber Gott und durch Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Mitmenschen, den Mitkreaturen und gegenüber sich selbst.

“Der Mensch wird gerechtfertigt durch den Glauben” – Das heißt: Er bleibt bestimmt zur Gemeinschaft mit Gott. Die Macht der Sünde kann die Gemeinschaftstreue Gottes nicht aufheben. Jesus Christus verbürgt mit seiner Verkündigung, seinem Leben, seinem Tod und seiner Auferweckung die vergebende, zurechtbringende Liebe Gottes. Im Glauben wird sie für den Menschen als Einzelnen und in Gemeinschaft wirksam.

“Der Mensch ist berufen zum Tun des Guten” – Das heißt: Er ist für seine Lebensführung verantwortlich. Er kann erkennen, was gut ist. Aber er muß sich durch das Tun dessen, was er als gut erkannt hat, nicht selbst rechtfertigen. Durch den Glauben an Gottes vergebende Liebe wird er frei, seine Gaben und Fähigkeiten in den Dienst des Gemeinwohls und des hilfsbedürftigen Nächsten zu stellen.

“Der Mensch hat eine Hoffnung über den Tod hinaus” – Was heißt das? Sein Leben soll vollendet werden in Gottes ewigem Leben. Das hebt seine Sterblichkeit nicht auf. Aber es begründet seine Zuversicht, durch den Tod und durch Gottes gnädiges Gericht hindurch verwandelt zu werden, um an Gottes ewigem Reich Anteil zu haben. (idea) (36 Zeilen/2.902 Zeichen)
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