Strafverfahren gegen evangelische Pastoren ausgesetzt

Nachricht 01. August 2002

Hildesheim (epd). Im Hildesheimer Kirchenasyl-Prozess ist das Strafverfahren gegen zwei evangelische Pastoren vorerst ausgesetzt worden. Das Gericht wolle abwarten, bis über den Asylfolgeantrag eines bislang abgelehnten kurdischen Asylbewerbers entschieden sei, beschloss Richter Josef Hogreve am Mittwoch bei der Hauptverhandlung im Amtsgericht Hildesheim (Az 15 Cs 13 Js 12809/01).

Die Kirchengemeinde der angeklagten Pastoren Gerjet Harms und Philipp Meyer beherbergt den Kurden, seine Frau und fünf Kindern seit April 2001 in ihren Räumen. Aufgrund neuer Beweismittel stellte sie im Mai 2002 den Asylfolgeantrag bei der Außenstelle Braunschweig des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, das im Juli in Bundesamt für Migration und Flüchtlinge umbenannt wurde. Wenn das Amt und gegebenenfalls ein Verwaltungsgericht über den Antrag des Kurden endgültig entschieden hat, müssen sich die Pastoren erneut wegen Beihilfe zum illegalen Aufenthalt von Ausländern verantworten.

Der Richter fasste den Beschluss im Einvernehmen mit Verteidigung und Staatsanwaltschaft. Verteidiger Frank Wodsack hatte erklärt, die Gemeinde werde das Kirchenasyl unverzüglich beenden, sobald im Asylfolgeverfahren entschieden sei. Oberstaatsanwalt Bernd Seemann sagte, der Ausgang des Folgeverfahrens ändere nichts am Tatbestand, habe aber Auswirkungen auf die rechtlichen Folgen für die Angeklagten.

Die Verteidigung wertete den Beschluss als Erfolg: “Die Gemeinde wollte den kurdischen Asylbewerbern eine zweite Chance eröffnen, das ist gelungen”, sagte Rechtsanwalt Henning Sonnenberg. Er sieht “gute Chancen” für den Asylfolgeantrag. Die Hinweise darauf, dass der Kurde bei einer Abschiebung in der Türkei gefährdet sei, hätten sich erhärtet.

Landesbischöfin Margot Käßmann sagte in einer ersten Einschätzung, letztlich habe sich keine neue Lage ergeben. Die Situation habe sich nur verschoben. Beistand für Flüchtlinge und Verfolgte sei kein Widerstand gegen die Rechtsordnung, sondern Christenpflicht: “Die beiden Pastoren sind keine Rechtsbrecher, schon gar keine Kriminellen.”

Die Angeklagten hatten während der Verhandlung betont, sie hätten von Anfang an die zuständigen Behörden über den Aufenthalt der kurdischen Familie informiert. “Wir haben sie nicht versteckt”, sagte Harms. Er sehe es als seine Pflicht als Christ und Pastor an, Menschen in einer verzweifelten Lage zu helfen. Harms wies darauf hin, dass nicht er als Pastor, sondern der zehnköpfige Kirchenvorstand das Hausrecht in der Gemeinde habe. Dieser habe sich für das Kirchenasyl ausgesprochen.

Pastor Meyer sagte, die Gemeinde habe die Grenzen des Kirchenasyls von Anfang an respektiert: “Es war klar, dass der Staat das letzte Wort über das Schicksal der Familie behält.” Einen rechtsfreien Raum wolle die Gemeinde nicht. Oberstaatsanwalt Seemann zeigte sich verärgert über eine uneinheitliche Politik in den niedersächsischen Ministerien. Einerseits habe das Innenministerium die Polizei angewiesen, bei Kirchenasylen nicht in Kirchenräume vorzudringen. Andererseits habe das Ausländeramt Strafanzeige gestellt und die Staatsanwaltschaft so zu Ermittlungen verpflichtet.

Richter Hogreve sagte in seiner Begründung des Beschlusses, es gebe viele Anhaltspunkte dafür, dass die Strafjustiz instrumentalisiert werde. So sollten Probleme gelöst werden, die an anderer Stelle ihren Ursprung hätten. (epd Niedersachsen-Bremen/b1699/31.07.02)
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