Auch die stellvertretende Bundesvorsitzende der Deutschen Psychotherapeuten Vereinigung, Christina Jochim, verortet den Begriff der Schenksucht eher als einen Alltagsbegriff. Es handle sich um eine Abhängigkeit, die im Rahmen einer anderen psychischen Erkrankung auftrete. „Das Schenken ist eine besondere Art der Kommunikation, die in allen Kulturen vorhanden ist und immer eine gewisse Botschaft der Wertschätzung hat“, sagt die Berliner Psychologin. Es sei soziologisch wirksam, wenn es passend zur Situation oder zur Beziehung sei und gerate in eine Schieflage, wenn Geschenke übermäßig oder beschämend seien.
Schon immer habe sie gerne auch großzügige Geschenke gemacht, erzählt Dankert, während sie vom Stuhl im Gruppenraum aufsteht, sich kurz noch einmal vergewissernd umblickt und ihre schwarze Winterjacke anzieht. Allerdings habe sie diese Gaben bis dahin auch immer bezahlen können. Nur knapp ist sie um eine Privatinsolvenz herumgekommen und zahlt nun ihre Schulden ab. Warum sie in diese Sucht rutschte, weiß sie bis heute nicht. „Ich hatte eine glückliche und zufriedene Kindheit und war auch auf der Arbeit anerkannt.“ Damals habe sie vor allem Langeweile gehabt.
Das Datum ihrer letzten Therapie vor ein paar Monaten weiß Dankert noch genau, erzählt sie, während sie über den nassen Asphalt den Nachhauseweg antritt. Ein Jahr lang ist die Frau mit den schulterlangen Haaren wöchentlich in die diakonische Einrichtung gekommen. Inzwischen hat sie die App mit der Streaming-Plattform auf ihren Geräten gelöscht. Sie finde inzwischen wieder Zeit für Freunde und Familie oder um auch einfach mal ein Buch zu lesen oder Spazieren zu gehen, sagt sie mit einem leichten Lächeln.
Als sie damals Stunde um Stunde vor ihrem Tablet saß, und wieder Geld überwiesen hatte, hielt das Glücksgefühl oft nur bis zum nächsten Tag an. Ihr Selbstbewusstsein sei damals eher schlecht gewesen, sagt Dankert etwas leiser. „Jetzt stehe ich mit dem Leitspruch morgens auf, dass ich mehr als ok bin.“
Charlotte Morgenthal (epd)