
In Vockfey an der Elbe erinnert eine Gedenkstätte an verlorene Höfe von Menschen, die in der DDR aus der grenznahen Region zwangsausgesiedelt wurden. 1952 und vor 60 Jahren noch einmal, mussten dort viele ihre Heimat verlassen.
Apfelbäume säumen die Straße, von der ein Schwarm Stare auffliegt. Karin Toben zeigt in Richtung Elbe. „Dort standen zwei Gehöfte“, sagt die 73-Jährige mit Blick auf eine Wiese vor dem Deich, auf der Jungvieh grast. Rund hundert Meter weiter markiert nur noch ein gemauerter Trafo-Turm das Gelände eines einstmals stolzen Gutes. Vom „Kolepanter Hof“ ist nichts mehr übrig, so wie von den allermeisten Höfen in Vockfey. Der Elb-Ort liegt im heute zu Niedersachsen gehörenden Amt Neuhaus, das vor der Wende Grenzgebiet der DDR war.
Die Häuser dort verfielen, wurden abgerissen oder gar gesprengt, nachdem das SED-Regime ihren Bewohnerinnen und Bewohner die Heimat nahm. Im Herbst 1961 wurden mehr als 3.000 Menschen entlang der DDR-Grenze gewaltsam ins Landesinnere deportiert. Die erneuten Zwangsaussiedlungen waren Folge der des Ausbaus der innerdeutschen Grenze. Schon am 13. August vor 60 Jahren hatte in Berlin der Mauerbau begonnen.
Insgesamt waren Schätzungen zufolge rund 12.000 Menschen von den Aussiedlungen betroffen, viele bereits bei einer ersten Welle im Juni 1952, der sogenannten „Aktion Ungeziefer“. „Die Menschen sind stigmatisiert und traumatisiert worden“, so schildert es Karin Toben. Die Journalistin ist für mehrere Bücher Lebenswegen an der Elbe nachgegangen. Sie hat unter anderem Briefe ausgewertet, die Zwangsausgesiedelte an den damaligen Pastor Axel Beste in der alten Heimat schrieben, und dann die Verfasser und ihre Nachfahren ausfindig gemacht.
Gründe dafür, warum Menschen als „politisch unzuverlässig“ eingestuft wurden und ihr Zuhause verlassen mussten, wurden zumeist nicht genannt, so haben viele von ihnen es Karin Toben erzählt. Dort, wo sie hingebracht wurden, waren sie den neuen Nachbarn suspekt. „Die haben gesagt, irgendetwas werden sie schon ausgefressen haben, die Leute von der Elbe.“
Holger Zerbin wurde als Kleinkind mit seinen Eltern Ewald und Hannelore von ihrem Hof in Vockfey-Kolepant nach Malchin in Mecklenburg verfrachtet. „Die sind gekommen, dann hatte man 24 Stunden Zeit, bis das verbleibende Hab und Gut verladen wurde“, weiß er aus Erzählungen. Zerbins Vater schaffte, was sonst kaum jemandem gelungen ist: Schon 1953 konnte die Familie zurückkehren. Ein Major der Volksarmee habe ihm verraten, dass es dazu nur die Unterschrift des Bürgermeisters brauchte, berichtet der Sohn. Ein Willkürakt wie die Aussiedlung selbst - so sieht es der heute 70-Jährige.