Startseite Archiv Tagesthema vom 06. Juni 2021

Und lass uns nicht entkommen!

Andacht zum 1. Sonntag nach Trinitatis

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Zitternd sitzt sie auf dem Sofa. Stumm schreit der Schmerz aus ihren Augen. Die Worte des Polizisten sind sachlich: „Die genaue Todesursache steht noch nicht fest, aber wir gehen davon aus, dass...“

Natürlich lassen sich offensichtliche Gründe finden: Zu viel Alkohol, zu ungesund gelebt. Und dann die Beruhigungstabletten. Wer weiß... Natürlich lassen sich Schuldige finden: Der Arbeitgeber, der seinen Urlaub nicht genehmigt hat. Die Freundin?

All das hilft der Mutter nicht. Ihr Kind wird nicht wieder lebendig und ihr Schmerz wird bleiben. Kein Entkommen mehr! Da nimmt der Dolmetscher die Frau in den Arm. Über den beiden hängt der tote Jesus an der Wand.

„Ich rief zu dem HERRN in meiner Angst und er antwortete mir. Ich schrie aus dem Rachen des Todes und du hörtest meine Stimme.“

Nach dem Einsatz stehe ich mit dem Dolmetscher vor dem Häuserblock. Wir beide sind froh es hinter uns lassen zu können. Er zieht an seiner Zigarette und schaut durch zusammengekniffene Augen auf die Siedlung. Dann berichtet er von den 15 Stundentagen, von den Schwierigkeiten der Gastarbeiter die eigenen Rechte einzufordern, von der schlechten Bezahlung. In meiner Kleidung hängt der Geruch der armen Leute und ich schäme mich für mein Beamtengehalt.

Wir beide schweigen. Der junge Mann hätte nicht sterben müssen, wenn die Lebensumstände barmherziger gewesen wären! Die Sonne scheint mit goldenem Licht.

„Als meine Seele in mir verzagte, gedachte ich an den HERRN, und mein Gebet kam zu dir in deinen heiligen Tempel.“

Eine Woche nach dem Einsatz sitze ich in einer Konferenz. Es geht um die Zukunft unserer Kirche. Wir streiten uns um Gemeindehäuser und Pfarrstellen. Haben wir nichts Besseres zu tun? Ich lese in der Bibel, wie Gott seine Propheten immer wieder hart rannimmt. Als Jona von ihm wegrennt, da lässt er ihn ins Meer schmeißen und von einem Fisch verschlucken: „Denk an Deinen Auftrag, Jona!!!“

Sollten unsere Gebete nicht darum kreisen? Dass Gott uns nicht entkommen lässt! Dass er nicht lockerlässt, bis wir seinen Auftrag ins Zentrum setzen! „Ob Du – Gott – überhaupt noch etwas von uns erwartest?“ Diese Frage wird doch erlaubt sein, oder?

„Ich aber will mit Dank dir Opfer bringen. Meine Gelübde will ich erfüllen dem HERRN, der mir geholfen hat.“

Amen.

Christian Plitzko

Der Bibeltext

Es geschah das Wort des Herrn zu Jona, dem Sohn Amittais: Mache dich auf und geh in die große Stadt Ninive und predige wider sie; denn ihre Bosheit ist vor mich gekommen.

Aber Jona machte sich auf und wollte vor dem Herrn nach Tarsis fliehen und kam hinab nach Jafo. Und als er ein Schiff fand, das nach Tarsis fahren wollte, gab er Fährgeld und trat hinein, um mit ihnen nach Tarsis zu fahren, weit weg vom Herrn.

Da ließ der Herr einen großen Wind aufs Meer kommen, und es erhob sich ein großes Ungewitter auf dem Meer, dass man meinte, das Schiff würde zerbrechen. Und die Schiffsleute fürchteten sich und schrien, ein jeder zu seinem Gott, und warfen die Ladung, die im Schiff war, ins Meer, dass es leichter würde. Aber Jona war hinunter in das Schiff gestiegen, lag und schlief. Da trat zu ihm der Schiffsherr und sprach zu ihm: Was schläfst du? Steh auf, rufe deinen Gott an! Vielleicht wird dieser Gott an uns gedenken, dass wir nicht verderben.

Und einer sprach zum andern: Kommt, wir wollen losen, dass wir erfahren, um wessentwillen es uns so übel geht. Und als sie losten, traf’s Jona. Da sprachen sie zu ihm: Sage uns, um wessentwillen es uns so übel geht? Was ist dein Gewerbe, und wo kommst du her? Aus welchem Lande bist du, und von welchem Volk bist du? Er sprach zu ihnen: Ich bin ein Hebräer und fürchte den Herrn, den Gott des Himmels, der das Meer und das Trockene gemacht hat.

Da fürchteten sich die Leute sehr und sprachen zu ihm: Was hast du da getan? Denn sie wussten, dass er vor dem Herrn floh; denn er hatte es ihnen gesagt. Da sprachen sie zu ihm: Was sollen wir denn mit dir tun, dass das Meer stille werde und von uns ablasse? Denn das Meer ging immer ungestümer. Er sprach zu ihnen: Nehmt mich und werft mich ins Meer, so wird das Meer still werden und von euch ablassen. Denn ich weiß, dass um meinetwillen dies große Ungewitter über euch gekommen ist.

Doch die Leute ruderten, dass sie wieder ans Land kämen; aber sie konnten nicht, denn das Meer ging immer ungestümer gegen sie an. Da riefen sie zu dem Herrn und sprachen: Ach, Herr, lass uns nicht verderben um des Lebens dieses Mannes willen und rechne uns nicht unschuldiges Blut zu; denn du, Herr, tust, wie dir’s gefällt.

Und sie nahmen Jona und warfen ihn ins Meer. Da wurde das Meer still und ließ ab von seinem Wüten. Und die Leute fürchteten den Herrn sehr und brachten dem Herrn Opfer dar und taten Gelübde.

Aber der Herr ließ einen großen Fisch kommen, Jona zu verschlingen. Und Jona war im Leibe des Fisches drei Tage und drei Nächte. Und Jona betete zu dem Herrn, seinem Gott, im Leibe des Fisches und sprach:

Ich rief zu dem Herrn in meiner Angst, und er antwortete mir.
Ich schrie aus dem Rachen des Todes, und du hörtest meine Stimme.
Du warfst mich in die Tiefe, mitten ins Meer, dass die Fluten mich umgaben. Alle deine Wogen und Wellen gingen über mich, dass ich dachte, ich wäre von deinen Augen verstoßen, ich würde deinen heiligen Tempel nicht mehr sehen. Wasser umgaben mich bis an die Kehle, die Tiefe umringte mich, Schilf bedeckte mein Haupt.
Ich sank hinunter zu der Berge Gründen, der Erde Riegel schlossen sich hinter mir ewiglich.
Aber du hast mein Leben aus dem Verderben geführt, Herr, mein Gott!
Als meine Seele in mir verzagte, gedachte ich an den Herrn,
und mein Gebet kam zu dir in deinen heiligen Tempel.
Die sich halten an das Nichtige, verlassen ihre Gnade. Ich aber will mit Dank dir Opfer bringen. Meine Gelübde will ich erfüllen.
Hilfe ist bei dem Herrn.

Und der Herr sprach zu dem Fisch, und der spie Jona aus ans Land.

Jona 1,1-2,11

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