Mit Krücken ins Friedhofsbeet
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Bürgerinitiative kümmert sich seit 20 Jahren um einen stillgelegten Friedhof
Vorsichtig steigt die 87-jährige Elisabeth Voges mit ihren zwei Krücken über die kleine Buchsbaumhecke ins Friedhofsbeet. Dann legt sie eine Gehhilfe kurz zur Seite, und zieht mit der anderen Hand ächzend eine Ranke von der Friedhofsmauer. Voges ist in dem Dorf Lüdersen bei Springe eins der Gründungsmitglieder einer Bürgerinitiative zum Erhalt des 1969 stillgelegten und unter Denkmalschutz gestellten Friedhofs. "Zwischenzeitlich lag das Durchschnittsalter der Mitglieder bei 76 Jahren", erzählt sie schmunzelnd.
Die Initiative wurde von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz anlässlich des Tags des offenen Denkmals (11. September) als beispielhaft hervorgehoben. Der Tag steht in diesem Jahr unter dem Motto "Gemeinsam Denkmale erhalten". Bundesweit öffnen mehr als 8.000 Denkmale ihre Türen.
Zwischen den Grabsteinen rund um die historische Kirche im Dorf arbeiten etwa 15 freiwillige Helfer mit Heckenscheren, Harken, und Schaufeln gegen die wuchernden Pflanzen an. Mittlerweile hat Dorfbewohnerin Voges ein paar junge Männer zur Mithilfe motiviert. Darunter ist auch der 23-jährige Student Tobias Stratmann. "Wir machen die schwere Arbeit, das ist ja klar", sagt er eifrig.
Für die freiwilligen Friedhofsgärtner aus dem rund 1.000 Einwohner zählenden Lüdersen ist das gemeinsame Engagement selbstverständlich. "Wir arbeiten im Dorf alle Hand in Hand", sagt der Vorsitzende der vor 20 Jahren gegründeten Bürgerinitiative, der 88-jährige Harald Simonsen.
Gründungsmitglied Ute Austermann-Haun erinnert sich, dass nach der Stilllegung immer weniger Angehörige zur Pflege der Gräber kamen. In den 1990er Jahren sei der Friedhof völlig verwildert und von Brombeeren überwuchert gewesen. "Teilweise konnten wir gar nicht sehen, wo Gräber sind." Inzwischen haben die Hobby-Gärtner die 250 Gräber freigelegt und teils mit pflegeleichten Bodendeckern versehen. Mit Hilfe von Stiftungsgeldern von Förderverein und Kirche wurden Wege neu verlegt oder eiserne Tore erneuert.
Seit etwa 800 Jahren wurden auf dem Friedhof Lüderser beerdigt, vermutet Simonsen. Jeder der Helfer hat zumindest vom Namen her von den Verstorbenen gehört. Die 87-jährige Gertrud Simonsen schneidet am Grab ihrer Urgroßmutter Efeu-Ranken zurück. "Ich habe keinen eigenen Garten mehr, aber das Arbeiten macht mir immer noch Spaß", sagt sie.
Dass aus dem idyllischen Friedhof mit den historischen Steinen einmal eine Rasenfläche wird, wollen alle verhindern, betont Austermann-Haun. Da das historische Bild von Friedhöfen sehr unterschiedlich sei, haben sich die Mitglieder schließlich entschieden, den Friedhof so zu gestalten, dass sie ihn als Gruppe leicht pflegen können. Efeu wird beispielsweise nur so weit zurückgeschnitten, dass es keinen weiteren Schaden anrichtet. Etwa fünfmal im Jahr treffen sie sich an zwei Tagen zur gemeinsamen Arbeit.
Das Ziel sei eine "gepflegte Wildnis", sagt Simonsen. An der von Efeu und Brombeeren befreiten Kirchenmauer stießen die Mitglieder auf Überreste aufgegebener Gräber, die sie neu bestatteten. Ein mulmiges Gefühl, zwischen Gräbern von Unbekannten zu arbeiten, hat er nicht: "Für mich ist das Gelände eher wie ein Park."