Unterstützung bei ihren ersten Schritten in der Fremde bekommen die Neuankömmlinge von kirchlichen Hilfsorganisationen wie der katholischen Caritas oder der evangelischen Diakonie. „Als erstes muss ich Deutsch lernen“, sagt Julya in relativ fließendem Englisch. Das sei im Moment das Wichtigste, sagt sie. Danach würde sie gerne Floristin werden. In Damaskus hat Julya zeitweilig in einem Hotel gearbeitet. Nach dem Aufstand gegen das Assad-Regime wurde die Situation für Christen unerträglich. Der Aufstand gegen den Diktator mündete keineswegs in mehr Freiheit. „Das Gegenteil war der Fall“, sagt Julya. Mit dem Verfall der staatlichen Ordnung traten selbst ernannte Gotteskrieger auf den Plan, die die Christen der Kollaboration mit dem Westen bezichtigten und wahllos gegen sie losschlugen. Fast täglich gibt es in Syrien Anschläge auf christliche Einrichtungen und Geschäfte. Nachdem eine Freundin der Familie auf offener Straße erschossen worden war, stand für Julya und ihre Eltern fest: Wir müssen das Land verlassen. In Windeseile verkauften sie die kleine Wohnung, die Möbel, den Fernseher, das alte Moped ihres Bruders und die kleine Werkstatt für Haushaltsgeräte, mit der der Vater die Familie ernährt hatte. Mit knapp 3.000 US-Dollar im Gepäck machten sie sich auf den Weg nach Jordanien, wo sie am Stadtrand der Hauptstadt Amman in einem heruntergekommenen Wohnblock Unterschlupf fanden. „In Jordanien lebten wir mehrere Monate von unseren Ersparnissen“, sagt Julya. Arbeit gab es so gut wie keine. Die Geschwister konnten nicht zur Schule gehen. „Wären wir nur einen Monat länger geblieben, hätten wir betteln gehen müssen“, sagt Julya. Die ersten Schritte in Deutschland sind getan. „Wir haben schon einen Ausflug nach Göttingen gemacht“, sagt sie. Die gepflegte Innenstadt und das reichhaltige Warenangebot hätten ihr gut gefallen. Ebenso die grüne, bergige Landschaft im christlich geprägten Eichsfeld, wo es so „viele schöne Kapellen und Marienstatuen“ gibt. Im Nahen Osten sei alles braun und staubig, und in den großen Städten litten viele Menschen an Asthma, sagt Juyla. Bei einem Bauern konnten die junge Frau und ihre Geschwister für kleines Geld einen Laib Brot, Salami und eingelegte Gurken kaufen. „Deutschland ist ein gutes Land“, sagt Julya, mit guten Menschen und gutem Essen.
Von Benedikt Vallendar