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Präimplantationsdiagnostik (PID)

Zur Debatte über die Präimplantationsdiagnostik (PID)

Andrea Dörries
Dr. med Andrea Dörries leitet das Zentrum für Gesundheitsethik

„Es ist ärztliche Aufgabe, Krankheiten zu heilen und Leiden zu lindern. Dazu werden heutzutage viele, zum Teil sehr eingreifende und aufwändige Therapien eingesetzt. Dadurch können solche Patienten gesund oder deren Beschwerden gelindert werden, die früher gestorben wären. Dazu gehört auch die Organtransplantation. Der grundlegende Unterschied zur Präimplantationsdiagnostik besteht darin, dass hier nicht ein Mensch geheilt wird, sondern per Gentest einige Embryos herausgesucht werden, die in die Gebärmutter einer Frau eingesetzt werden und andere verworfen werden. Hier geht es nicht um Heilung oder die Linderung von Schmerzen, sondern um die Selektion nach bestimmten Merkmalen.“

Dr. med Andrea Dörries, Direktorin des Zentrums für Gesundheitsethik, einer Einrichtung der hannoverschen Landeskirche

Zum gesamten Interview mit Andrea Dörries

Das Stichwort: Präimplantationsdiagnostik

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Unter Präimplantationsdiagnostik (PID) wird die genetische Untersuchung eines Embryos vor der Einsetzung in die Gebärmutter verstanden. Das Verfahren ist daher nur bei Embryonen möglich, die durch künstliche Befruchtung (In-vitro-Fertilisation) entstanden sind. Einige Tage nach der Befruchtung wird mindestens eine Zelle des Embryos entnommen.

Nach der Entnahme der Zelle wird das Genom des Embryos auf Genmutationen oder Chromosomen-Anomalien untersucht. Nach der Diagnose wird nur ein gesunder Embryo in den Mutterleib eingepflanzt. Was mit den übrigen Embryonen geschieht, ist gesetzlich noch nicht explizit geklärt. Im Ausland werden sie vernichtet oder eingefroren.

Die PID ist in Deutschland nur in Ausnahmefällen erlaubt. Nach einem Anfang Juli vom Bundestag verabschiedeten Gesetz darf das Verfahren angewandt werden, wenn die Nachkommen eines Paares „eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine schwerwiegende Erbkrankheit“ haben. Sie ist auch möglich, wenn eine genetische Schädigung oder eine Abweichung in den Chromosomen dazu führen würde, dass die Schwangerschaft mit einer Fehl- oder Totgeburt endet.

Was genau untersucht wird, hängt von dem betreffenden Elternpaar ab. Es wird kein kompletter Test auf alle genetisch bedingten Erbkrankheiten gemacht. Eine PID, um etwa das Geschlecht des Kindes zu bestimmen, bleibt verboten.

Interdisziplinär zusammengesetzte Ethikkommissionen an PID-Zentren sollen über jeden Einzelfall entscheiden. Einen Katalog von Krankheiten hat der Gesetzgeber nicht aufgestellt. Alle vier Jahre soll die Bundesregierung einen Erfahrungsbericht vorlegen.

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Weiterhin eine aktuelle Debatte - Ralf Meister und Mitglieder des Ethikrates

Ungeborenes Leben

Bei der PID werden künstlich erzeugte Embryonen im Reagenzglas genetisch untersucht und ausgewählt, bevor wenige gesunde von ihnen in die Gebärmutter eingesetzt werden. Die übrigen werden verworfen. Der Bundestag hatte das Verfahren nur bei schweren Erbkrankheiten zugelassen. Huber zog eine Parallele zur vorgeburtlichen Untersuchung von Kindern im Mutterleib, die bereits zum Regelfall geworden sei. Die PID werde zu tiefgreifenden Veränderungen beim Embryonenschutz führen, kritisierte er. Embryonen seien mehr als „Zellhaufen“. Die Würde und Unantastbarkeit des Lebens müsse als oberstes Gebot für alle Stufen des menschlichen Lebens gelten und dürfe nicht abgestuft werden.
Die ehemalige Staatssekretärin Ulrike Riedel, wie Huber Mitglied des Ethikrates, sagte in der Debatte, das PID-Gesetz weise zahlreiche Lücken auf. So sei nicht genau geregelt, wie viele Embryonen künstlich erzeugt werden dürften. Offen bleibe auch, ob die überzähligen Embryonen vernichtet oder eingefroren werden sollten. „Die Folge ist Rechtsunsicherheit.“ Die Juristin und Grünen-Politikerin war Staatssekretärin für Umwelt in Hessen und für Justiz in Sachsen-Anhalt.
Der Lübecker Humangenetiker Eberhard Schwinger dagegen verteidigte die PID. Für einen massenhaften Einsatz sei diese aufwendige Technik nicht geeignet: „Sie ist von vornherein auf ein enges Spektrum von speziellen Fällen begrenzt.“ Der Gynäkologe Professor Peter Hillemanns von der Medizinischen Hochschule Hannover sagte, es werde pro Jahr in Deutschland nicht mehr als rund 200 Untersuchungen geben. „Es gibt nur ganz wenig schwere Erbkrankheiten, bei denen die PID infrage kommt.“

Der Würzburger Rechtsphilosoph Horst Dreier sagte, es werde zu keinem ethischen „Dammbruch“ kommen. Das zeigten die Erfahrungen in Ländern, in denen die PID zulässig sei. Zudem sei fraglich, ob ein früher Embryo überhaupt ein Träger von Grundrechten sein könne, weil sich seine Zellen noch teilen und Zwillinge bilden könnten. „Zellen sind kein Individuum“, betonte Dreier.

Der evangelische Landesbischof Ralf Meister aus Hannover sagte, die Kirche werde den Fortgang der Debatte aufmerksam verfolgen. In einigen Jahren müssten die Erfahrungen mit dem PID-Gesetz überprüft und ausgewertet werden. „Wir werden hier ganz wach sein.“ Anhand der PID seien die Fragen über den Ursprung und die Behinderungen des Lebens in der Gesellschaft bislang in einer Weite diskutiert worden, „wie wir sie nicht oft haben“.

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Zum Für und Wider der PID

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Diskussion zur Frage der PID im Haus der EKD in Berlin im Frühjahr 2011

Landesbischof Ralf Meister

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„Ich bin ganz klar für ein Verbot, aber es muss möglich sein, dieses Verbot punktuell straffrei aufzuheben. Wir werden die Erfahrungen mit der neuen Regelung beobachten und vor allem betroffenen Paaren Beratung und Unterstützung für ihre Entscheidung anbieten.“