Jahresabschluss 2020

2020: Landeskirche hat hohe Verluste zu verkraften

Dr. Krämer
Dr. Rolf Krämer, zuständig für die Finanzwirtschaft in der Landeskirche

Das Haushaltsjahr 2020 war ein Wechselbad der Gefühle: Die Corona-Pandemie hat alle Haushalte in der Landeskirche spürbar belastet. Im März/April 2020 prognostizierten die Wirtschaftsfachleute einem dramatischen Einbruch der Konjunktur mit erheblichen negativen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, das staatliche Einkommensteueraufkommen und damit auch auf die Kirchensteuererträge. Im letzten Quartal 2020 zeichnete sich ab, dass die Konjunktur, der Arbeitsmarkt und die Steuerentwicklung zwar deutliche Pandemiespuren zu verkraften hatten, allerdings blieben die Auswirkungen hinter den anfänglichen Prognosen zurück.

Der Haushalt der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers schloss im Haushaltsjahr mit einem negativen Jahresergebnis aus ordentlicher Tätigkeit in Höhe von 396,0 Millionen Euro ab. Dafür waren im Wesentlichen drei Umstände ausschlaggebend:

Zum Ersten lagen die Kirchensteuererträge pandemiebedingt deutlich hinter dem Vorjahreswert. Durch den Einbruch der Konjunktur mit den negativen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt ist das staatliche Einkommensteueraufkommen eingebrochen, was zu einem Rückgang der Kirchensteuer um 24,8 Millionen Euro führte. Auch Kirchenmitglieder, die durch die Corona-Pandemie bedingt Kurzarbeiter- oder Arbeitslosengeld beziehen, zahlen keine Kirchensteuer.
Zum Zweiten waren zusätzliche finanzielle Mittel erforderlich, um die Folgen der Pandemie abzuschwächen. Etwa bei kirchlichen Einrichtungen, die die laufenden Aufwendungen nicht mehr aus den zurückgegangenen Erträgen finanzieren konnten. Auch ausgefallene Veranstaltungen (zum Beispiel Konzerte, Vorträge) belasteten den Haushalt, wenn Einnahmen fehlten und Fixkosten beglichen werden mussten.  
Zum Dritten haben sich die Parameter der Versorgungslasten verändert, was zu hohen zusätzlichen Versorgungsrückstellungen im Jahresabschluss der Landeskirche führte.  

Für das Haushaltsjahr 2021/2022 hat die Landeskirche einen Sparhaushalt beschlossen. Die Aufwendungen sind in beiden Jahren rückläufig. Unter Berücksichtigung der jährlichen linearen Erhöhungen – vor allen der linearen Gehaltssteigerungen – liegt der Haushalt real um gut 3 Prozent hinter dem Vorjahreshaushalt.

Mit dem Haushaltsplan 2021/2022 bleibt der finanzielle Handlungsspielraum der Landeskirche erhalten. Das allerdings um den Preis, dass einzelne wünschenswerte Projekte auf der Zeitschiene verschoben werden mussten.

 

Von 100 Euro...

In der mittelfristigen Finanzplanung wird die Landeskirche mit abnehmenden Kirchensteuererträgen rechnen müssen. Zwar werden die nominellen Kirchensteuererträge in den nächsten Jahren auf dem gegenwärtigen Niveau verharren, vielleicht sogar nominal steigen. Die reale Finanzkraft der Landeskirche wird aber abnehmen, da die Landeskirche die jährlichen linearen Preis- und Personalkostensteigerungen nicht aus zusätzlichen Kirchensteuererträgen finanzieren kann.

Deshalb wird die Landeskirche in den kommenden Jahren entscheiden müssen, welche neuen Strukturveränderungen notwendig sind. Diese Frage beschäftigt die Kirchengemeinden, die Kirchenkreise und die Landeskirche aber schon jetzt, da die Strukturkonzepte nur langfristig geplant werden können und mit den verantwortlichen Gremien auf allen Ebenen gut abgestimmt werden müssen.

Darüber hinaus bleiben zusätzliche Risiken bestehen! Die Kirchensteuer kann etwa durch Veränderungen des staatlichen Einkommensteuerrechts noch stärker einbrechen. Die Preis- und Personalkostensteigerungen können noch höher ausfallen als angenommen. Zudem steigen auch die konjunkturellen Risiken, die über sinkende Einkommensteuer auch Auswirkungen auf die Kirchensteuer der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers haben können.

In den folgenden Abschnitten gibt die Gesamtergebnisrechnung zum 31.12.2020 einen Einblick in die Ertragslage 2020. Die Vermögenslage 2020 der Landeskirche ist in der Bilanz zum 31.12.2020 dargestellt. Die für 2021 vorgesehenen Aufwendungen sind nach Handlungsfeldern gegliedert und geben den von der Landessynode beschlossenen Haushaltsplan in komprimierter Form wieder.

Gesamtergebnisrechnung 2020

Erträge 2020


Die Gesamtergebnisrechnung 2020 weist im ordentlichen Jahresergebnis Erträge in Höhe von 668,0 Millionen Euro aus. Die Aufwendungen betragen 1.063,9 Millionen Euro. Daraus ergibt sich im Haushaltsjahr 2020 als Jahresergebnis aus ordentlicher Tätigkeit ein Defizit von 396,0 Millionen Euro.

Die Erträge aus Kirchensteuer betragen 587,0 Millionen Euro. Im Vorjahr waren es 611,8 Millionen Euro. Das ist eine Reduktion von 24,8 Millionen Euro oder 4,1 Prozent, die auf den coronabedingten Einbruch im Jahr 2020 zurückgeht. Im Laufe des Berichtsjahres hatte die Landeskirche mit wesentlich höheren Einbrüchen gerechnet, zumal die Kirchensteuererträge in einzelnen Monaten bis zu 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgingen. Dank der relativ guten konjunkturellen Lage und den glücklicherweise nur leicht gesunkenen Arbeitsmarktzahlen im Corona-Jahr 2020 haben sich die Kirchensteuererträge im dritten und vierten Quartal wieder etwas stabilisiert. In den zurückgehenden Erträgen macht sich auch die hohe Zahl der von Kurzarbeit Betroffenen bemerkbar, da für diesen Personenkreis eine Kirchensteuer entfällt.

Die Corona-Pandemie wirkt sich auch negativ auf die landeskirchlichen Kollekten und Spenden aus. Diese blieben im Jahr 2020 um rund  25 Prozent hinter dem Vorjahreswert zurück.  

Dass die Summe der ordentlichen Erträge im Jahr 2020 mit nur knapp 2 Millionen Euro hinter den Vorjahreserträgen liegt, geht im Wesentlichen auf eine Steigerung der sonstigen ordentlichen Erträge zurück. Hier konnten Kirchensteuer-Nachzahlungen in Höhe von rund 20 Millionen Euro verbucht werden, die die Landeskirche aus dem EKD-Clearing-Verfahren der Jahre 2015 bis 2017 erhielt.

Aufwendungen 2020

Die gesamten Personalaufwendungen im landeskirchlichen Haushalt betragen 697,1 Millionen Euro und liegen deutlich über dem Vorjahreswert. Der Grund sind hohe zusätzliche Versorgungsrückstellungen in Höhe von rund 450 Millionen Euro. Diese wurden notwendig, da die versicherungsmathematischen Parameter anzupassen waren. So berücksichtigt der Versicherungsmathematiker in seinem jährlichen Versorgungsgutachten die neuere Richttafel RT 2018 G, die höhere biometrische Werte unterstellt. Zudem hat sich der Rechnungszins für die Deckungsrückstellungen verändert und musste auf 3 Prozent gesenkt werden.

Die Zuweisungen in Höhe von 264,8 Millionen Euro fließen in die Kirchengemeinden und Kirchenkreise, damit diese ihre kirchlichen Aufgaben erfüllen können. Die Abschreibungen betragen 2,1 Millionen Euro und sind damit etwas niedriger als im Vorjahr. Die sonstigen ordentlichen Aufwendungen betragen 28,2 Millionen Euro. In diesem Betrag sind rund
23 Millionen Euro Verwaltungskosten enthalten, die das Land Niedersachsen für die Kirchensteuerverwaltung erhält. Nach Art. 13 Abs. 1 Loccumer Vertrag erhält das Land Niedersachsen 4 Prozent der Kirchensteuereinnahmen als Entschädigung für die Verwaltungshilfe.

Bereits im Frühjahr 2020 hatte die Landeskirche eine Haushaltssperre von 10 Prozent der Haushaltsansätze beschlossen. Davon waren allerdings alle Rechtsverpflichtungen ausgenommen, was bei den Personalaufwendungen regelmäßig der Fall ist. Alle anderen Aufwandspositionen konnten zum Teil erheblich reduziert werden. Das führte bei diesen Positionen (mit Ausnahme der Personalaufwendungen) zu einem Rückgang von rund 28 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr. Ohne diesen haushaltsrechtlichen Schritt wäre das Defizit im Berichtsjahr 2020 deutlich höher ausgefallen.

Bilanz zum 31.12.2020

Aktiva 2020

Die Aktiva oder Aktivseite der Bilanz zählt die einzelnen Vermögensgegenstände der Landeskirche auf. Im Anlagevermögen sind Güter ausgewiesen, die der Landeskirche dauerhaft dienen. Hierzu zählen die Grundstücke und Gebäude (Sachanlagen) mit 84,4 Millionen Euro sowie die Unternehmensbeteiligungen etwa an der Comramo IT Holding AG oder der Evangelischen Bank eG mit 1,2 Millionen Euro. Insgesamt beträgt das Anlagevermögen 86,3 Millionen Euro und macht knapp 5 Prozent der Bilanzsumme aus.
Das Umlaufvermögen macht knapp 84 Prozent der Bilanzsumme aus und besteht im Wesentlichen aus Forderungen an den Rücklagenfonds, der die auf der Passivseite ausgewiesenen Rücklagen und Rückstellungen decken muss. Damit wird dem Grundsatz der Finanzdeckung der Rücklagen und Rückstellungen nach § 75 Abs. 9 und § 77 Abs. 2 der kirchlichen Haushaltsordnung Rechnung getragen.
Im Berichtsjahr weist die Aktivseite der Bilanz einen nicht durch Reinvermögen gedeckten Fehlbetrag von 198,6 Millionen Euro aus. Dieser geht auf die hohen zu bildenden Versorgungsrückstellungen zurück und macht deutlich, dass diese Summe zurzeit (noch) nicht finanzgedeckt ist. Da hinter dieser Position langfristige Versorgungsverbindlichkeiten stehen, ist die Finanzdeckung erst in den kommenden Jahren notwendig. Deshalb wird die Landeskirche zukünftig prüfen, ob dieser Fehlbetrag schrittweise etwa aus Jahresüberschüssen abgebaut werden kann. 

Passiva 2020

Die Passiva oder Passivseite der Bilanz enthält das Reinvermögen der Landeskirche, das 432,5 Millionen Euro beträgt und gut 24,3 Prozent der Bilanzsumme ausmacht. Gegenüber dem Vorjahr hat sich der Wert um 223 Millionen Euro verringert. Der gesamte Vermögensgrundstock und verschiedene Rücklagen wurden aufgelöst, da sich die Versorgungsrückstellungen erhöht haben.

Die Pflichtrücklagen wurden neu berechnet und betragen 217 Millionen Euro. Das ist ein Rückgang von 71,5 Millionen Euro gegenüber dem Haushaltsjahr 2019. Die zweckgebundenen Rücklagen liegen bei 188,2 Millionen Euro, was zu einem Minus von 72,2 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr führt. In diesem Betrag ist die Risikorücklage von 132 Millionen Euro enthalten, die die Landeskirche für die kommenden Jahre aufgebaut hat, um gegenüber den Kirchengemeinden und Kirchenkreisen die zugesagten Planungsvorgaben aufrechterhalten zu können.

Die Rückstellungen betragen insgesamt 1.336,5 Millionen Euro oder 71 Prozent der Bilanzsumme. Hierin sind Versorgungsrückstellungen in Höhe von 1.267,5 Millionen Euro enthalten. Diese decken die auf die Landeskirche entfallende Deckungslücke bei der Norddeutschen Kirchlichen Versorgungkasse (NKVK) ab. Durch ein versicherungsmathematisches Gutachten wird dieser Wert in jedem Haushaltsjahr neu bewertet. Zudem sind in diesem Betrag auch Beihilferückstellungen in Höhe von 304,4 Millionen Euro enthalten, die für die pensionierten öffentlich-rechtlich Bediensteten in der Bilanz des Berichtsjahres nachgewiesen werden.

Die Norddeutsche Kirchliche Versorgungskasse (NKVK) stellt die Versorgungsansprüche der Pfarrerinnen und Pfarrer sowie der Kirchenbeamtinnen und Kirchenbeamten in der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig, der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg, der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Schaumburg-Lippe und der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) sicher. Zum Bilanzstichtag sind bei der NKVK 2.579 aktive Personen und 2.722 Versorgungsempfänger angemeldet.

Die Landeskirche Hannovers betreibt für 63.685 privatrechtlich angestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und 27.118 Rentnerinnen und Rentner aus Kirche und Diakonie eine eigene Zusatzversorgungskasse (ZVK) als unselbstständige Einrichtung. Zum 31.12.2020 beträgt die Deckungsrückstellungslücke der Kasse 113,9 Millionen Euro, die sich durch ein vom Dienstgeber zu zahlendes jährliches Sanierungsgeld verringert.