Startseite Archiv Nachricht vom 03. Mai 2018

Forum Heersum eröffnet theatergeschichtlichen Audio-Rundgang

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Heersum. Heersum braucht kein Theaterhaus, um Theater zu spielen. Das hat das Forum für Kunst und Kultur e.V. in fast 30 Jahren Theatergeschichte oft genug bewiesen. Ein steiniger Acker reicht, die Fantasie der Heersumer zu beflügeln. Sie haben  solche Äcker in den Olymp verwandelt, sind dort ins Mittelalter oder auf den Grund des Meeres gereist.

Für die Heersumer und ihr Landschaftstheater gilt allgemein: je rausgelassener desto ausgelassener. Getreu diesem Prinzip führt seit dem ersten Mai eine mehr oder minder geschichtliche Audiowanderung quer durch den kleinen Ort im Herzen der Hildesheimer Börde. „Die unbekannte Mittelstraße“ heißt die Tour, ein Smartphone und Kopfhörer sind alles, was es für diesen „heimatkundlichen Gehörgang“ braucht.

Die Idee dazu entstand eigentlich aus der Not, als der Vereinssitz des Forum Heersum im vergangenen Jahr abgerissen wurde, der obendrein ein Heimatmuseum beherbergte. Ersetzt wurde das älteste Wohnhaus des Dorfes durch einen grau-modernen Klotz. Das Heimatmuseum unter den Fittichen von Jürgen Zinke erzählte wahre und erfundene Geschichten des Dorfes und solche, in denen Wahrheit und Erfindung verschwimmen. Die vielen Jahre des Theater-Klamauks haben das Bewusstsein des Dorfes geprägt, ein „kollektives Stammhirn“, wie es im Epilog des Audiowalks genannt wird.

Im neuen Vereinsheim war kein Platz für das Museum, also entschieden sich Jochen Hesch, Markus Neumann und Jürgen Zinke, ihre Anekdoten fortan direkt an den Orten zu erzählen, an denen sie stattgefunden haben. Für den „heimatkundlichen Gehörgang“ tauchten sie tief in das Gedächtnis des Dorfes ein und erforschten auch, was Heersum heute für seine BewohnerInnen ausmacht. Der „Gehörgang“ offenbart neue Orte und Geheimnisse, etwa die unbekannte Mittelstraße, Namensgeber der auditiven Geschichtstour. Denn, was nicht mal die eingefleischtesten Einwohner wussten: es gibt neben der Mittelstraße, der Hauptschlagader des Ortes, noch eine Mittelstraße. Google Maps führt sie auf, in Wirklichkeit ist sie nur ein Stück Rasen zwischen Pferdekoppeln – und auf eine Weise das tatsächliche Herz Heersums? Wer gut lauscht, hört hier viele Stimmen wispern. Professor Bördiana Jones, der Hakelmann, Prinz Rosenpopo, sie alle sind Teil der Landschaft geworden.

Der Audiowalk lässt diese Stimmen gemeinsam erklingen in einem knapp 80 minütigen Hörspiel. Dazu wurden über 20 Stunden Audiomaterial gesammelt, bestehend aus Interviews, Kichenläuten und muhenden Pferden. „Mein Pony hatte in einem Stück gleich drei Rollen“, erzählt eine Kinderstimme durch die Kopfhörer, „es hat ein Einhorn gespielt, ein Pony und eine Kuh.“ Hinzu kommt eine schier ungeheure Menge an Live-Mitschnitten aus 28 Jahren Landschaftstheater. Trauermärsche, Beifall, Vogelgezwitscher. Die unsägliche Wortklauberei des Guido Investorwelle und die ruhige Erzählstimme Günter Gondecks.

Etwas wehmütig erzählt er von den Läden, die es vor geraumer Zeit noch im Ort gab, heute allesamt verschwunden. Goldschmied, Kolonialwarenladen, Krämer... heute ist es mit dem Auto nicht weit zum Supermarkt in Itzum. Und trotzdem gibt es etwas, was die Heersumer hier hält und zusammenschweißt. Oder wenigstens dafür sorgt, dass sie immer wieder hierherkommen. Auch, wenn die Zeit der Kolonialwarenläden nie mehr zurückkommt.

 

 

Wanja Neite