Startseite Archiv Nachricht vom 18. Oktober 2017

"Die Zivilgesellschaft ist bei Armutsbekämpfung genauso gefordert wie die Politik"

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Hannover. Kirchenvertreter haben Menschen mit wenig Geld dazu ermutigt, Bildungs- und Kultureinrichtungen selbstbewusster für sich in Anspruch zu nehmen. "Museen, Musikschulen oder Opern gehören auch ihnen", sagte die hannoversche Landessuperintendentin Petra Bahr am Dienstag in Hannover. Diese Orte müssten Treffpunkte für Menschen verschiedener Gesellschaftsteile werden, forderte die evangelische Theologin. Kinder könnten dort unterschiedliche Lebensentwürfe kennenlernen, ältere Menschen wiederum hätten die Möglichkeit, sich ihre Lebensgeschichten zu erzählen. Bahr sprach auf einer Podiumsdiskussion zum Abschluss einer Tagung der Landesarmutskonferenz Niedersachsens.

Wichtig sei es, gerade Kinder möglichst früh an solche Bildungsangebote heranzuführen. "Laut Entwicklungspsychologen sind die ersten acht Jahre entscheidend für den weiteren Lebensweg", betonte die Landessuperintendentin des Sprengels Hannover. Materielle Hürden seien für den Besuch oft nicht so hoch wie oft gedacht. In Musikschulen oder Posaunenchören müssten Instrumente nicht gekauft, sondern könnten ausgeliehen werden. Manche Museen seien für Minderjährige kostenlos. Es dürften aber keine zu großen Erwartungen an den Staat gestellt werden, warnte die Theologin. Die Zivilgesellschaft sei mindestens genauso aufgefordert, Armut zu bekämpfen wie die Politik.

Eine Solidargemeinschaft der bürgerlichen Mitte sei nötig, um Armut erfolgreich zu bekämpfen, sagte auch Thomas Uhlen vom katholischen Hilfswerk Caritas. Die Politik habe durchaus den guten Willen dazu, aber nicht immer die Möglichkeiten. "Wir alle müssen viel stärker Lobbyismus für die Armen betreiben", forderte er Kirchen, Gewerkschaften und Sozialverbände auf. Jeder müsse sich auch selbst fragen, was er oder sie der Gesellschaft schulde. Nötig sei es, wieder weitaus mehr soziale Beratungsangebote zu finanzieren, damit arme Menschen ihre Rechte besser nutzen könnten.

Joachim Rock vom Paritätischen Gesamtverband forderte die Politik auf, der Armutsbekämpfung Priorität einzuräumen. In der letzten Legislaturperiode habe es keine einzige Maßnahme der Bundesregierung für arme Menschen gegeben, kritisierte er. Die Zahl der von Armut Betroffenen steige immer weiter. 1,7 Millionen Kinder und 2,5 Millionen Berufstätige seien derzeit auf Hartz-IV angewiesen. Hartz IV zementiere ihre Armut aber nur. Sie bräuchten ein anderes System. Die Regelsätze ermöglichten keine Teilnahme am öffentlichen und kulturellen Leben.

epd-Landesdienst Niedersachsen-Bremen