Startseite Archiv Nachricht vom 10. Juni 2016

"Wir brauchen Leitplanken für das gesellschaftliche Zusammenleben"

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Hannover (epd). Landesbischof Ralf Meister hat feste Regeln für den Umgang aller in Deutschland lebenden Gruppierungen gefordert. "Wir brauchen jetzt Leitplanken, an die sich alle halten, auch die AfD", sagte er der in Hannover erscheinenden Neuen Presse (Freitagsausgabe) in einem gemeinsamen Interview mit der islamischen Religionswissenschaftlerin Hamideh Mohagheghi. "Es wäre völlig absurd zu sagen, vier Millionen Muslime und eine Million Flüchtlinge müssen raus. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir eine extrem stabile Demokratie haben, zu der sich übrigens auch die überwiegende Zahl von Muslimen bekennt."

Gleichzeitig erwarte er von den Flüchtlingen eine hohe Bereitschaft zur Integration, unterstrich der evangelische Bischof. "Wir müssen aber sehen, was wir tun können, damit das gelingt." Nachholbedarf gebe es zum Beispiel bei den noch zu geringen Angeboten von Sprach- und Integrationskursen.

Auch die aus dem Iran stammende Juristin Mohagheghi sagte, Flüchtlinge müssten sich von Anfang an auf die Gebräuche der deutschen Gesellschaft einlassen. "Es kann nicht sein, dass ein Flüchtling in einer Unterkunft von einer Frau in der Kantine kein Essen annimmt. Dann bekommt er eben keins." Es gelte, sensibel für die Religion und Kultur der Geflüchteten zu sein, "aber wir müssen nicht auf jede Kleinigkeit Rücksicht nehmen, an die diese Menschen noch nicht gewöhnt sind." Auch eine deutsche Lehrerin müsse in der Lage sein, "sich gegen einen zwölfjährigen Bengel durchzusetzen, ohne gleich in den Verdacht zu kommen, gegen Islam und Muslime zu sein."

Zum Dialog zwischen Christen und Muslimen sagte Meister, er höre häufig den Vorwurf, die Kirche verkaufe sich durch ihre Dialogbereitschaft an den Islam. "Und dann werden einzelne Suren zitiert, etwa über das Töten der Konvertiten. Ehrlicherweise muss man sagen, das finden wir in einigen Psalmen der Bibel auch." Es sei deshalb wichtig zu zeigen, dass die Religionen Frieden und Gerechtigkeit wollten und selbstverständlich auch so handeln müssten.

Mohagheghi betonte, dass ein moderner, aufgeklärter Islam in Europa eine gute Chance habe. Im Gegensatz dazu sei es in vielen islamischen Ländern nicht möglich, zu einer Theologie zurückzukehren, bei der hinterfragt und geforscht werden dürfe. "Wir haben in den vergangenen zwei, drei Jahrhunderten unsere wissenschaftliche Theologie verloren." Es sei noch ein langer Weg, den die Kirchen bereits hinter sich hätten. "Wir Muslime in Deutschland müssen uns noch zusammenfinden", sagte die islamische Theologin. Dass in Niedersachsen jetzt Imame und Religionslehrkräfte ausgebildet würden, sei ein wichtiger Anfang. "Es ist nicht alles gut, aber es ist viel erreicht."

epd-Landesdienst Niedersachsen-Bremen