Startseite Archiv Nachricht vom 04. Oktober 2015

Diakoniechef warnt vor Streit über Flüchtlingsobergrenzen

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Hannover (epd). Der niedersächsische Diakoniechef Christoph Künkel hat davor gewarnt, in der aktuellen Flüchtlingsdebatte einen Streit über eine mögliche Obergrenze bei den Aufnahmekapazitäten zu führen. "Man muss sich klar machen: Wer sagt, es ist genug, der muss auch bereit sein, Stacheldrähte zu ziehen und die Waffen nach außen zu richten", sagte er im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Und das lehnen wir in aller Deutlichkeit ab." Es müsse weiter nach politischen Lösungen gesucht werden.

Gegenwärtig leisteten Verwaltungen aller Ebenen sowie Haupt- und Ehrenamtliche Enormes, um sich um die ankommenden Menschen zu kümmern, hob Künkel hervor. "Das geht an die Grenzen der Überforderung. Aber es ist toll, dass trotzdem gute Ergebnisse erzielt werden."

Dass es in den Unterkünften auch zu Streitigkeiten komme, dürfe angesichts der Enge und den erlittenen Strapazen niemanden wundern. Eine Trennung nach Religionen und Ethnien lehnte der Theologe ab: "Aggressionen wird man nicht dadurch los, dass man Menschen nach irgendwelchen Gesichtspunkten klassifiziert und voneinander trennt."

Umso wichtiger sei es, dass Helfer und Betreuer mit den Flüchtlingen intensiv über die deutschen Grundrechte sprechen. Dazu könne es hilfreich sein, sie in übersetzter Form zu verteilen. Die Menschen sollten merken, "sie befinden sich nun in einer Gesellschaft, die sich den Grundrechten und Grundwerten, wie sie im Grundgesetz niedergelegt sind, verpflichtet weiß". Interkulturelle und religionssensible Bildungsarbeit sei deshalb unverzichtbar.

Das erste, wonach die Flüchtlinge nach ihrer Ankunft fragten, sei Arbeit. "Sie sind hierher gekommen, um sicher zu sein und dann zu arbeiten, nicht um zu sitzen oder den Tag zu verschlafen", sagte Künkel. Klar sei aber auch, dass nicht jeder sofort in ein festes Arbeitsverhältnis integriert werden könne. "Wir müssen auf ganz neue und kreative Weise schauen, wie wir diese Menschen in den Arbeitsprozess hineinführen können."

Der Diakoniechef sprach sich für höhere Ausstattungen bestehender Beschäftigungsprogramme aus. Qualifikationsangebote müssten dazu deutlich ausgeweitet werden. "Das darf aber auf keinen Fall dazu führen, dass der Mindestlohn angezweifelt wird und wir zu prekären Arbeitsverhältnissen kommen", unterstrich Künkel. Auch dürfe keine Konkurrenz für Langzeitarbeitslose entstehen. Er appelliere an Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, entsprechende Modelle zu entwickeln.

Künkel sprach sich dafür aus, die Menschen, die bleiben wollen, in die Gesellschaft zu integrieren. "Wir sollten sie in unserer Mitte aufnehmen, in unseren Arbeitsvollzügen und unseren Lebensvollzügen." Ein solches Projekt benötige jedoch Zeit und die Bereitschaft aller Seiten, sich aufeinander einzustellen. Direkte Gespräche könnten helfen, Misstrauen und Zweifel zu überwinden.

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