Startseite Archiv Nachricht vom 22. Oktober 2015

Kirchenstand auf der infa zum Thema „Flüchtlinge“

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Hannover. Rekordverdächtig war die Teilnahme der Besucher am ökumenischen Stand der Kirche auf der infa: An insgesamt neun Tagen konnte man hier seine Meinung zum Thema „Flüchtlinge“ kundtun und diskutieren. Acht Meinungssäulen luden ein, seine zwei Stimmen abzugeben.

Spitzenreiter waren die Säulen „Flüchtlinge dürfen hier eine neue Heimat finden“ (2.050 Nennungen) und „Flüchtlinge sollen deutsch erlernen“ (1.685 Nennungen). Mit großem Abstand folgen die Säulen „Flüchtlinge brauchen Arbeit“ (796 Nennungen) und „Flüchtlinge machen mir Angst“ (722 Nennungen). Insgesamt haben 7.681 Menschen mitgemacht.

"Die Gespräche, die die ca. 20 haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden mit den Besuchern führten, drehten sich sehr oft um ganz persönliche Erfahrungen aus der Flüchtlingsbetreuung. Viele Gespräche entstanden auch aus der zunächst geäußerten Ablehnung, bei der Umfrage mit zu machen," berichtet Pastor Karl-Martin Voget, einer der Organisatoren des Messestands. In der Regel hätten sich diese Personen im Lauf des Gespräches dann doch dazu entschlossen, mit zu machen. Oft waren die ausgewählten Säulen dann die 3. (... sollen zurückkehren) oder 6. (... haben wir genug), aber auch die 8. Säule (... machen mir Angst) wurde oft nur zögerlich ausgewählt.

Viele äußerten in dem Zusammenhang die Sorge, dass sie auf Grund ihrer Wahl in eine rechte oder fremdenfeindliche Ecke gedrängt würde. Diese Sorge hätten generell entkräftet werden können, zumindest im Blick auf den kirchlichen Stand, so Voget weiter. Mehrere Menschen hätten sich
auch ausdrücklich dafür bedankt, dass sie hier ihre Meinung frei äußern und diskutieren konnten.

In vielen Gesprächen wurde erzählt, was die Menschen selber mit Flüchtlingen erleben, wenn sie sich in den entsprechenden Einrichtungen ehrenamtlich oder auch beruflich engagierten. Unter den Erlebnissen wurden sowohl positive („große Dankbarkeit“) als auch negative („Anspruchsdenken“ / „Missachtung unserer Angebote“, z.B. Ablehnen oder Wegwerfen von Nahrungsmitteln oder kein sorgfältiger Umgang mit den Dingen im Quartier, z.B. keine Bereitschaft, die Toiletten selber sauber zu halten) Beispiele erzählt.

"Sehr bewegend waren Gespräche mit Menschen, die als erstes sagten, dass sie nur negativer Erfahrungen mit Flüchtlingen gemacht hätten. Das waren u.a. Soldaten, Sanitäter oder Polizistinnen, also Menschen, die immer dorthin geschickt wurden, wo es brenzlig war. Wenn diese Menschen sich dann doch zu einer Teilnahme entschlossen, wurden häufig die Säulen 2 (... sollen Deutsch lernen) und 8 (... machen mir Angst) gewählt, " sagte Voget.

Es gab auch zahlreiche Gespräche zur inhaltlichen Differenzierung unserer
Antwortmöglichkeiten. Diese Menschen wurden gern auf einen Pappturm hingewiesen, der ebenfalls Teil des Messestands gewesen sei. In diesem Turm gabes vier Seiten mit jeweils einem Satzanfang, zu dem mit Kugelschreibern Kommentare aufgeschrieben werden konnten. Dieser Turm wurde überraschend gut angenommen (in den vergangenen Jahren war es oft schwierig, Menschen dazu zu bewegen, sich in den Stand hineinzubegeben, um dort an einer Aktion teil zunehmen).

Es gab auch eine ganze Reihe von Menschen, die das sichtbare Ranking der
Säulen anzweifelten bzw. die Ehrlichkeit derer, die an der Umfrage teilgenommen hatten, so Voget weiter. Natürlich sei es möglich, dass der Stand (Kirche) und der Wunsch nach einer Art „sozialer Korrektheit“ die Wahl beeinflussen hätten, gibt Voget zu. Manchmal wurde auch gemutmaßt, dass das Ergebnis anders ausfallen könnte, wenn man den Abstimmenden nicht dabei zusehen könnte. Insgesamt sei es aber wohl
ein zutreffendes Stimmungsbild der aktuellen Lage.

Eine etwas erschreckende Randerscheinung hat Voget auch beobachtet: Immer wieder sagten Menschen etwas in der Art „Meine Meinung wollen sie wohl kaum wirklich wissen“ oder auch die Nachfrage „Wollen Sie wirklich meine ehrliche Meinung dazu hören?“ Die Gegenfrage „Haben Sie denn auch eine unehrliche Meinung?“ hätte meist zu sehr intensiven Gespräche geführt.

Pastor Karl-Martin Voget/Pressestelle