Startseite Archiv Nachricht vom 12. Oktober 2015

Landeskirche investiert fast vier Millionen Euro in Flüchtlingsarbeit

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Hannover (epd). Mit fast vier Millionen Euro will die hannoversche Landeskirche die Flüchtlingshilfe in ihren Gemeinden und Einrichtungen weiter stärken. Davon solle mit insgesamt drei Millionen Euro der Großteil in die 49 Kirchenkreise der größten evangelischen Landeskirche in Deutschland verteilt werden, sagte der Vorsitzende des kirchenleitenden Landessynodalausschusses, Jörn Surborg, am Montag in Hannover. "Sie sollen selbst entscheiden, was sie damit machen." Der Ausschuss habe am Donnerstag beschlossen, das Geld ab sofort freizugeben.

Landesbischof Ralf Meister betonte, die Kirche müsse die Flüchtlinge vor Ort, flexibel und gemeinsam mit anderen unterstützen. "Die Situation, die wir heute haben, berechtigt uns nicht, zu sagen, wie es morgen aussieht." Vielerorts sei der Einsatz groß und die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen sei gut. "Ich glaube, dass wir zurzeit erleben, wie erwachsen unsere Zivilgesellschaft ist", sagte Meister. Kirchliche Initiativen haben unter anderem "Willkommens-Cafés" für Flüchtlinge eröffnet, übernehmen Patenschaften oder begleiteten Ehrenamtliche in der Flüchtlingshilfe.

Zugleich wüchsen aber Spannungen, räumte der Bischof ein. Ehrenamtliche bräuchten mehr Unterstützung. Die Kirche müsse zudem Foren schaffen, in denen auch Ängste offen geäußert werden dürften.

Zum aktuellen Flüchtlingspaket der Landeskirche gehören nach den Worten der Bildungsdezernentin Kerstin Gäfgen-Track auch 180 Sprachkurse für Flüchtlinge und 40 für ehrenamtliche Deutschlehrer. Zudem sollten Projekte an den Schulen und Universitäten initiiert werden. Familien sollten zu Freizeiten eingeladen werden. Es gehe darum, Gemeinschaft zu schaffen und Ängste abzubauen. "Nicht nur die Menschen, die hierher kommen verändern sich, sondern wir verändern uns mit ihnen."

"Viele Ehrenamtliche fühlen sich mit der Situation zunehmend überfordert", sagte der Vorstandssprecher des Diakonischen Werkes in Niedersachsen, Christoph Künkel. So fehle in Niedersachsen Unterrichtsmaterial für Deutschkurse. Die zukünftige Hilfe müsse gemeinsam mit den Flüchtlingen entwickelt werden, betonte er. "Flüchtlinge werden dann zum Krisenfall, wenn wir über sie und nicht mit ihnen reden."

Für die Begleitung von Ehrenamtlichen in den Erstaufnahmen für Flüchtlinge gibt die Landeskirche jetzt 180.000 Euro. 500.000 Euro will sie in die Bildungsarbeit mit Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen investieren. Die bereits bestehenden Flüchtlingsberatungen in den Kirchenkreisen erhalten 250.000 Euro zusätzlich. Weitere drei Millionen Euro könnte die Synode Surborg zufolge im November für das kommende Jahr freigeben.

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"Ängste durch Vermittlungsarbeit entkräften" - Landesbischof Ralf Meister zur Flüchtlingsarbeit

epd: Herr Landesbischof, die Deutschen haben sich gegenüber Flüchtlingen bisher überwiegend offen gezeigt. Sehen Sie die Gefahr, dass die Stimmung kippt?

Meister: Die Gefahr besteht, das sagen die Umfragen und das berichten mir auch viele Menschen vor Ort. Gleichzeitig ergeben die Umfragen auch, dass sich über die Hälfte aller Deutschen direkt für Flüchtlinge engagiert. Das ist ein guter Ausgangspunkt für ihre mittel- und langfristige Integration. Das wird aber nur gelingen, wenn wir auch Ängste und Vorbehalte ernst nehmen.

epd: Was macht Ihrer Meinung nach vielen Menschen Angst?

Meister: Fast jeden Tag gibt es neue Prognosen, wie viele Menschen zu uns kommen und Debatten, wie viele wir aufnehmen können. Da kann ich es verstehen, wenn sich Menschen Gedanken machen, wie sich in Zukunft das Zusammenleben in unserer Gesellschaft gestalten wird. Ich denke, dass da auch Unsicherheit eine Rolle spielt: Was sind das für Menschen? Welche Werte waren bisher für sie prägend und passen die zu unseren Werten? Was bedeutet die Aufnahme so vieler für unsere Sozialsysteme? Das sind Fragen, mit denen wir umgehen müssen, um rechten Gruppierungen und Stimmungen keine Anknüpfungspunkte zu bieten.

epd: Die Kirche hat sich klar für die Aufnahme positioniert. Was kann sie tun, um die skeptischen Menschen auf diesem Weg mitzunehmen?

Meister: Unsere Aufgabe ist es, in den kommenden Monaten vermittelnd zu wirken. Wir müssen alle miteinander ins Gespräch bringen: Diejenigen, die hier bei uns Schutz suchen, die Helfer und auch diejenigen, die Angst haben vor Veränderungen. Wenn alle miteinander sprechen, dann ist das ein erster, wichtiger Schritt. Die Flüchtlinge müssen erfahren, was für unser Zusammenleben grundlegend ist. Denjenigen, die ihnen mit Skepsis und Angst gegenüberstehen, müssen wir helfen, besser zu verstehen, was diese Menschen ausmacht. Wenn es nicht mehr anonym um "die Flüchtlinge" geht, sondern wenn ich ein Gesicht und eine Geschichte mit demjenigen verbinde, der jetzt in meiner Nachbarschaft lebt, ist das der beste Schutz gegenüber populistischen Parolen. Kirchengemeinden und Kirchenkreise sind genau die richtige Ebene für Vermittlung, da sie vor Ort wissen, wen man wie ansprechen muss.

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