Startseite Archiv Nachricht vom 25. August 2015

Diakonie in Niedersachsen rechnet mit Zustrom minderjähriger Flüchtlinge - Künkel: Bis zu 30 Prozent der Jugendlichen sind traumatisiert

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Hannover/Osnabrück (epd). Die Städte und Landkreise in Niedersachsen müssen sich nach Ansicht der Diakonie wesentlich stärker als bisher auf die Aufnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge einstellen. "Dorthin muss ein Schwerpunkt gelegt werden", sagte Diakonie-Chef Christoph Künkel am Dienstag in Hannover. Bis zu 30 Prozent der Kinder und Jugendlichen seien durch Kriege und Konflikte in ihren Heimatländern oder durch die Erfahrungen auf der Flucht traumatisiert: "Es liegen strapaziöse Wege hinter ihnen."

Im nächsten Jahr werden bundesweit rund 20.000 allein reisende junge Flüchtlinge erwartet, davon werden voraussichtlich rund 2.000 nach Niedersachsen kommen. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sollen ab 2016 systematisch auf die Bundesländer verteilt werden. Einen Gesetzentwurf dazu hat das Bundeskabinett bereits gebilligt. Die Diakonie erwartet einen "Zustrom" junger Flüchtlinge nach Niedersachsen - die Zahlen könnten sich verdreifachen. Bisher nimmt Niedersachsen nur drei bis vier Prozent aller unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge auf, vor allem in Städten entlang der großen Bahnrouten wie Hannover oder Göttingen.

In den Jugendämtern seien dann vor allem mehr interkulturelle Kompetenz und Sprachkompetenz gefragt, betonte Künkel. Die Kinder und Jugendlichen bräuchten eine sensible Betreuung. Es genüge nicht, wenn die Ämter mal eben einen Sachbearbeiter zum Wochenendseminar schickten. "Das geht nicht durch einen Schnips." Zahlreiche niedersächsische Landkreise seien jedoch noch wenig von dieser Frage berührt.

Junge Flüchtlinge werden in Deutschland bis zu ihrem 18. Geburtstag nach dem Jugendrecht behandelt, um das Kindeswohl zu gewährleisten. Deswegen werden sie von den Jugendämtern in Obhut genommen und dann nach einigen Wochen in einer Einrichtung der Jugendhilfe, einer Pflegefamilie oder bei Verwandten oder Bekannten aus ihrem Heimatland untergebracht. Die Kosten für minderjährige Flüchtlinge lägen bei 4.000 bis 6.000 Euro pro Monat, sagte Heiner Dirks von der Evangelischen Jugendhilfe in Osnabrück.

Die Jugendlichen würden zum Teil von der Bundespolizei in Zügen ohne Fahrkarte herausgefischt, berichtete Dirks. Andere würden von Schleusern als Erwachsene ausgegeben und stellten sich in den Aufnahmelagern dann als minderjährig heraus. Zum Teil müssten sie weiter vor Schleusern abgeschirmt werden. Diese meldeten sich mitunter per Handy mit Geldforderungen und drohten, ansonsten den Angehörigen etwas anzutun.

"Erwachsene können wesentlich leichter verarbeiten, was sie erlebt haben", sagte Dirks. Jugendliche müssten dagegen behütet werden, um das Gefühl einer neuen Heimat entwickeln zu können. Sie kämen meist völlig desillusioniert und verschüchtert in Deutschland an. Dirks plädierte dafür, drei bis sechs Kompetenzzentren in Niedersachsen zu schaffen.

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