Startseite Archiv Nachricht vom 28. April 2015

Gäste aus mehreren europäischen Ländern in Gedenkstätte Sandbostel

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"Like a minor belsen" - "wie ein kleines Belsen", so beschrieben britische Soldaten die Zustände im Kriegsgefangenenlager Sandbostel, das sie vor 70 Jahren befreiten. Ein Gedenkakt rückte nun Opfer und Überlebende des Naziterrors in den Mittelpunkt.

Sandbostel/Kr. Rotenburg (epd). Überlebende wie der Pole Wiktor Listopadzki (92) haben am Mittwoch zum 70. Jahrestag der Befreiung des NS-Kriegsgefangenlagers im niedersächsischen Sandbostel an das Schicksal der dort Internierten erinnert. Britische Soldaten kamen am 29. April 1945 auf das Gelände im heutigen Landkreis Rotenburg und wurden mit einer katastrophalen Situation konfrontiert: Angesichts vieler unbestatteter Leichen sprachen sie von Zuständen "like a minor belsen" - "wie ein kleines Belsen".

Listopadzki wurde als Angehöriger der polnischen Heimatarmee "Armia Kraijowa" verhaftet und 1944 nach Sandbostel verschleppt. "Ich überlebte das Leid, aber Schmerz, Angst und Furcht begleiteten mich das ganze Leben lang", sagte der Mann aus Warschau in der heutigen Gedenkstätte. Er habe gelernt, dass man sich nicht aufgeben dürfe.

An die Gedenkstätte gerichtet sagte Listopadzki, Sandbostel müsse als Erinnerungsort lebendig gehalten werden. Besonders die Jugendbegegnungen dort "geben mir Hoffnung auf bessere Zeiten". Seine Worte wurden auf Deutsch von einer Schülerin aus der Region vorgetragen.

In Sandbostel starben Tausende Gefangene an Krankheiten und Erschöpfung sowie durch unmittelbare Gewalt der Wachmannschaften. Bis zur Befreiung durchliefen nach bisherigen Recherchen 313.000 Kriegsgefangene sowie Zivil- und Militärinternierte aus mehr als 55 Nationen das Lager im heutigen Landkreis Rotenburg.

An das Schicksal dieser Menschen zu erinnern, wahre ihre Würde, sagte der Friedensbeauftragte der hannoverschen Landeskirche, Pastor Lutz Krügener. "Wir wollen erinnern und gedenken, denn die Verbrecher hoffen auf das Vergessen." Der hannoversche Oberlandeskirchenrat Rainer Kiefer schlug eine Brücke in die Gegenwart: "Gemeinsam treten wir in der Erinnerungsarbeit dafür ein, dass ein Leben in Vielfalt in unserer Gesellschaft gelingt und dass Rassismus und rechtsextreme Positionen bei uns keine Chance haben."

Mit Listopadzki kamen auch ehemalige Gefangene aus Belgien, Irland und Italien sowie Angehörige aus ganz Europa sowie aus den USA und Australien nach Sandbostel. "Ich möchte aber auch erinnern an Überlebende wie den niederländischen ehemaligen KZ-Häftling Cornelis Bos, der psychisch nicht in der Lage ist, noch einmal an den Ort zu kommen, an dem er so viel Leid erfahren hat", sagte Gedenkstättenleiter Andreas Ehresmann.

Nach der Befreiung errichteten die Briten in Sandbostel ein Internierungslager für Angehörige der Waffen-SS. 1948 übernahm das niedersächsische Justizministerium den Standort als Strafgefängnis, später wurde er als Notaufnahmelager für männliche jugendliche DDR-Flüchtlinge und als Bundeswehrdepot genutzt. 1973 übernahm die Gemeinde Sandbostel das Gelände und wies es als Gewerbegebiet "Immenhain" aus. Später erwarb die Stiftung Lager Sandbostel einen Teil des ehemaligen Lagergeländes und richtete dort eine Gedenkstätte mit historischen Baracken und Dauerausstellungen ein.

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