Startseite Archiv Nachricht vom 18. April 2015

Bestürzung in Niedersachsen über neues Flüchtlingsunglück im Mittelmeer

Die vollständige Darstellung von Archivmeldungen befindet sich noch im Aufbau. Schauen Sie in Kürze noch mal vorbei!

Hildesheim (epd). Das neuerliche Flüchtlingsunglück im Mittelmeer mit offenbar bis zu 700 Toten hat in Niedersachsen Bestürzung ausgelöst. Der evangelische Landesbischof Ralf Meister aus Hannover forderte politische Konsequenzen aus der Katastrophe. "Die Humanität in Europa steht auf dem Prüfstand", sagte er am Sonntag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Auch der niedersächsische Flüchtlingsrat sowie die Europaabgeordnete der Grünen, Rebecca Harms, forderten die Bundesregierung und die Europäischen Union zum Handeln auf.

Meister sagte, die erschütternden Katastrophen vor der libyschen Küste führten erneut vor Augen, dass es eine europäische Verantwortung für die Aufnahme von Flüchtlingen gebe: "Wir dürfen nicht nur in Anteilnahme und Klage verbleiben." Der Bischof sprach sich dafür aus, die Ende 2014 eingestellte italienische Rettungsaktion "Mare Nostrum" fortzuführen, die wenigstens einige Not gelindert habe.

Zugleich dürften sich die Europäer nicht an die globalen Ungerechtigkeit gewöhnen: "Viele Menschen in den südlichen Ländern werden aufgrund der Armut, der politischen und medizinischen Verhältnisse geradezu zur Auswanderung getrieben." Die reichen Staaten müssten sich für eine erfolgreiche Entwicklungspolitik und eine gerechte Weltwirtschaftsordnung einsetzen und die Lebensbedingungen in diesen Ländern verbessern. "Mit Zorn reagiere ich auf das unsägliche Profitgeschäft der Schleuserbanden", ergänzte der Bischof.

Harms sagte dem epd: "Die Regierungen der EU-Länder tragen eine große Mitschuld an diesen Tragödien." Die neuen Nachrichten seien "furchtbar und erschreckend, aber sie kommen nicht überraschend". Die Not der Menschen in Syrien und anderen Ländern sei so groß, dass sie trotz der lebensgefährlichen Fahrt über das Mittelmeer versuchten, Europa zu erreichen. Es könne nicht angehen, die Rettung von Flüchtlingen auf die Handelsschifffahrt abzuwälzen.

Der Geschäftsführer des Niedersächsisches Flüchtlingsrates, Kai Weber, zeigte sich "schockiert über den Tod der Flüchtlinge und wütend über die Politik der deutschen Regierung und der EU". Europa inszeniere sich einerseits als Hort der Menschenrechte, trage andererseits aber durch Unterlassung zu dem Tod von immer mehr Menschen bei, sagte er dem epd. Das sei "bigott".

Weber forderte das Land Niedersachsen auf, über den Bundesrat neue Initiativen für eine andere Flüchtlingspolitik zu starten. Der Flüchtlingsrat wolle sich in den nächsten Tagen um einen landesweiten Trauergottesdienst für die Menschen bemühen, die auf dem Mittelmeer ums Leben gekommenen seien.

Nach Angaben des italienischen Rundfunks war in der Nacht zu Sonntag im Mittelmeer ein weiteres Schiff mit mehr als 700 Flüchtlingen an Bord gekentert. 28 Menschen konnten von einem Handelsschiff gerettet werden. Die Zahl der Menschen, die in diesem Jahr auf dem Mittelmeer ums Leben kamen, hat sich damit auf mindestens 1.600 erhöht.

Copyright: epd Landesdienst Niedersachsen-Bremen
 

Landesbischof Ralf Meister

„Die erschütternden Katastrophen vor der libyschen Küste führen uns wiederholt vor Augen, dass es eine europäische Verantwortung für die Aufnahme von Flüchtlingen gibt. Wir dürfen nicht nur in Anteilnahme und in der Klage verbleiben, sondern müssen auch nach Konsequenzen fragen. Die Humanität in Europa steht auf dem Prüfstand! Ich kann nicht verstehen, dass eine Operation wie „Mare Nostrum“, die wenigstens einige Not gelindert hat, eingestellt wurde. Zugleich dürfen wir uns nicht an den Grundkonflikt einer globalen Ungerechtigkeit gewöhnen. Viele Menschen in den südlichen Ländern werden aufgrund der Armut, der politischen und medizinischen Verhältnisse geradezu zur Auswanderung getrieben. Die reichen Staaten müssen sich für eine erfolgreiche Entwicklungspolitik und eine gerechte Weltwirtschaftsordnung einsetzen, die die Lebensbedingungen in jenen Ländern verbessern. Wir müssen neue und andere Antworten finden auf die Frage: Warum geschieht diese Katastrophe? Und es müssen Antworten sein, die unserer politischen Verantwortung als Europäer gerecht werden. Mit Zorn reagiere ich auf das unsägliche Profitgeschäft der Schleuserbanden.“