Startseite Archiv Nachricht vom 31. Mai 2018

19. Wie stehen wir zu anderen Religionen?

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Ich beobachte mit Sorge, dass Religionen, das Christentum eingeschlossen, bei uns in problematischen Kontexten zum Thema werden und immer wieder instrumentalisiert werden. Das meint das provokative Aufhängen von Kreuzen in Behörden genauso wie Hasspredigten in Moscheen, den Streit um das Kreuz auf der Kuppel am neuen Berliner Stadtschloss, die Debatten um eine Leitkultur oder um die überflüssige Frage, ob der Islam zu Deutschland gehört.

Wir erleben religiös verbrämte Anschläge und müssen mit Entsetzen zur Kenntnis nehmen, dass sich jüdische Mitbürger an einigen Orten nicht mehr trauen, in der Öffentlichkeit die Kippa aufzusetzen. Da gilt es Farbe zu bekennen.

Wir tun das in unserer Verfassung, in Statements, in Kippa-Walks u. v. m. Ich frage mich trotzdem: Sind wir uns in vollem Umfang darüber im Klaren, dass alle Religionen in einem Boot sitzen? Dass wir – bei aller nötigen gegenseitigen Unterscheidung und Kritik – zueinander stehen müssen? Wenn wir nicht an einem Strang ziehen, geraten wir noch stärker als bisher schon in den Verdacht, überflüssig und geradezu gefährlich zu sein.

Es geht nicht darum, Unterschiede zu verwischen, unsere Glaubenswahrheit aufzugeben oder sämtliche Traditionen einzustampfen. Es ist aber an der Zeit, den Beweis anzutreten, dass Menschen mit einer religiösen Identität die Gesellschaft nicht spalten, sondern versöhnen.

In Deutschland haben wir – Gott sei Dank – gute Kriterien für das Miteinander der Religionen. Ausnahmslos alle müssen das Grundrecht auf Religionsfreiheit sowie die Trennung von Staat und Kirche bzw. Religion strikt beachten. Das reicht aber nicht. Ich denke, dass wir mehr als bisher auf die anderen Religionen zugehen und enger kooperieren sollten. Wir haben lange gebraucht, um die Kämpfe zwischen den christlichen Konfessionen hinter uns zu lassen.

Es wäre fatal, wenn wir jetzt in unserem Land Mauern zwischen Religionen hochziehen. In der ganzen Welt gilt: Es wird keinen Frieden ohne einen Frieden zwischen den Religionen geben.

Deshalb sehe ich es als eine Aufgabe unserer Gemeinden, die offene Gesellschaft als Ausdruck einer religiösen Identität vorzuleben. In vielen Gesprächskreisen zwischen christlichen und jüdischen bzw. christlichen und islamischen Gemeinden, bei multireligiösen Gebeten, gegenseitigen Besuchen, gemeinsamen Feiern von Festen geschieht dies bereits. In der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit oder im Haus der Religionen in Hannover gibt es beispielhafte Orte, einander besser kennenzulernen.

Und selten zuvor hat ein evangelischer Festtag wie der 500. Tag der Reformation religionsübergreifend, ökumenisch und weltoffen so viele Menschen in unserem Land mit in das Nachdenken über Herkunft und Zukunft unserer Gesellschaft gezogen.

Ich wünsche mir, dass die religiöse Verständnis- und Friedensarbeit größeren Raum einnimmt. Gerade die Geschichte der Reformation zeigt, dass wir eine lernende Institution sein und bleiben müssen, um unseren Beitrag für die
Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts in einer vielfältigen Kultur
leisten zu können. Nur wenn wir uns um die anderen Religionen kümmern,
entstehen lebendige Impulse für das Miteinander-in-Verschiedenheit. Nur gemeinsam werden wir innerhalb unserer Nachbarschaften und Dörfer, unserer Städte und Bundesländer ein Beispiel für ein faires, gerechtes und solidarisches Miteinander abgeben können.

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