Startseite Archiv Tagesthema vom 18. August 2017

„Der Glaube ist durch unsere Beziehung nur noch authentischer geworden“

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Ein Besuch bei einem evangelisch-muslimischen Ehepaar in Barnstorf

„Eigentlich war es vollkommen unromantisch“, sagt Maha Fäth und lacht. Sie traf ihren späteren Ehemann Rüdiger zum ersten Mal im Jahr 2009 bei einer Mediation: Sie als Teilnehmerin, er als Mediator. Dass dieser Mann einmal ihr Ehemann werden würde, das war für die gebürtige Libanesin damals unvorstellbar.

Wer den Fäths heute begegnet, auf den wirken die beiden immer noch wie frisch verliebt. Nach dem ersten Treffen im Büro von Rüdiger Fäth dauerte es schließlich noch einige Jahre, bis die beiden ein Paar wurden. Im Sommer 2015 joggte Maha Fäth zufällig am Büro des Diakons vorbei, als dieser Feierabend machte. Dann endlich folgte die erste Verabredung. Seit zwei Jahren sind die Fäths nun ein Paar; vor einem Jahr haben sie standesamtlich geheiratet. In diesen Tagen wollen sie sich in einem Gemeindegottesdienst segnen lassen.

Auf einem Regal über dem Ecksofa im Wohnzimmer des Hauses im Zentrum von Barnstorf ist eine kleine Galerie aufgebaut. „Das sind unsere sechs Kinder“, sagt Maha Fäth stolz. Rüdiger Fäth hat eine erwachsene Tochter mit in die Ehe gebracht, die 43-jährige Maha hat fünf Kinder - im Alter zwischen neun und 23 Jahren. 

Birgit Klostermeier: Die Jahreslosung hat mit dem Herz zu tun, und mit dem Geist. Was bedeutet es für Ihr Zusammenleben, aus verschiedenen Kulturen und Religionen zu kommen?

Rüdiger Fäth: Als ich Maha kennen lernte, da hatte ich schon seit Jahren keine rechte Verbindung mehr zu Christus. Jesus Christus war mir einfach irgendwie weggerutscht. Deshalb kamen mir natürlich Zweifel: „Wenn ich mit einer muslimischen Frau zusammen bin, kann es dann nicht passieren, dass ich meines Gottes verlustig gehe?“ Das waren meine Gedanken. Und genau das Gegenteil ist passiert.

Maha Fäth: Ich bin kein Mensch, der fünf Mal am Tag betet. Ich faste auch nicht während des Ramadan. Der Grund, warum ich es nicht tue, ist nicht, dass ich nicht glaube, sondern dass mir die Gemeinschaft fehlt – deshalb macht es für mich keinen Sinn. Und deshalb gehe ich gern mit Rüdiger in die Kirche. Es gibt so viele Gemeinsamkeiten. 

Der Vater von Rüdiger Fäth ist 91 Jahre alt. Es dauerte nicht lange, bis sein Sohn wusste, dass sein Vater mit der Wahl seiner neuen Lebensgefährtin einverstanden war. „`Weißt Du, wenn meine Frau Dich noch kennen gelernt hätte, Ihr hättet gut zusammen gepasst!´ - Als mein Vater diese Worte zu Maha sagte, da wusste ich, dass er ihr kein größeres Kompliment hätte machen können“, sagt Rüdiger Fäth heute. Als er Maha das erste Mal zu seinem Vater mitbrachte, da war nicht deren Glaube ein Thema, sondern ihre Herkunft, ihre Sprache: „Meinst Du, sie versteht mich?“ – das war die Frage, die Maha Fäths Schwiegervater damals am meisten beschäftigte. Dabei spricht die 43-Jährige fließend deutsch.

Maha Fäth ist 1992 als 18-Jährige nach Deutschland gekommen, mit ihrem ersten Ehemann. Vor einigen Jahren hat sich als Tagesmutter und Kleinstkindpädagogin selbständig gemacht. Nach ihrer Hochzeit ist Rüdiger Fäth bei Maha und ihren fünf Kindern, von denen vier noch zu Hause leben, eingezogen. „Ein bisschen war es wie bei `Ich heirate eine Familie´ sagt er und lacht – nur dass in der Fernsehserie aus den Achtziger Jahren der Mann bereits das Haus hatte.

Birgit Klostermeier: Herr Fäth, Sie haben eben gesagt, Sie hatten zunächst die Befürchtung, sich durch eine muslimische Partnerin weiter von Christus zu entfernen, und dann sei genau das Gegenteil passiert. Was meinen Sie damit?

Rüdiger Fäth: Maha und ich sprechen viel über den Glauben. Wenn ich ihr eine Predigt vorlese, die ich für die Prädikatenausbildung geschrieben habe, dann ist sie auch meine beste Kritikerin! (lacht) Im Ernst: Ihre Kritik hat Hand und Fuß. Für mich ist es auch spannend, ihr zuzuhören, wie sie vom Glauben erzählt. Ich habe von ihr gelernt, dass es Wichtigeres gibt als Fakten; dass man Dinge glaubt, die man intellektuell gar nicht vermitteln kann. Auf der anderen Seite muss der Islam interpretationsfähig sein und bleiben.

Maha Fäth: Rüdiger und ich sprechen auch oft über die Gemeinsamkeiten zwischen dem Christentum und dem Islam. Ich entdecke viele davon. Früher dachte ich, der Glaube wäre mir egal. Seitdem wir soviel darüber reden, ist er wieder da. Ich kann mit Gott jetzt wieder etwas anfangen. Es ist wie eine Versöhnung. Im Islam gibt es diese Vaterfigur Gottes nicht. Und das gefällt mir im Christentum so gut: ein Vater ist gut, er trägt Verantwortung. 

In diesen Tagen werden die Fäths in einem Gemeindegottesdienst den Segen bekommen. Beiden ist es sehr wichtig, „Ja, mit Gottes Hilfe“ zu sagen. Weil es in der näheren Umgebung keinen muslimischen Geistlichen gab, der gemeinsam mit dem evangelischen Pastor das Paar trauen würde, deshalb feiern die Fäths eben zwei Mal: in diesem Sommer in Barnstorf und im kommenden Jahr mit Maha Fäths Familie im Libanon.

Über das Projekt

Wie sieht der Alltag eines gläubigen Ehepaares aus, das zwei unterschiedlichen Religionen angehört? Was bedeutet es für Demenzkranke, ihr Gedächtnis zu verlieren? Und wie kann man Menschen unterstützen, die ein neues Herz bekommen sollen?

All diese Fragen drehen sich um die aktuelle Jahreslosung der Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für das Bibellesen:

„Gott spricht: Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch.“

Mit diesen Worten im Gepäck wird die Landessuperintendentin Dr. Birgit Klostermeier in diesem Jahr zum zweiten Mal im Sprengel Osnabrück unterwegs sein. Sie besucht das ganze Jahr über verschiedene Einrichtungen und Initiativen. Dabei trifft sie Ehrenamtliche, Organisatoren, Seelsorger und Betreuer. Mit der Reihe „Sprengelfrüchte“ will die Regionalbischöfin zeigen, wie vielseitig das Engagement im Sprengel Osnabrück ist – zwischen Syke und Glandorf, zwischen Diepholz und Melle. 

Sprengelfrüchte Osnabrück