Startseite Archiv Tagesthema vom 20. Juni 2017

„Dabei geht es einfach um die Seele“

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Sprengelfrüchte Teil 1: Ein Besuch beim Seelsorger der Schüchtermann-Klinik in Bad Rothenfelde

Vom Eingang der Schüchtermann-Klinik sind es nur wenige Meter bis zur Kapelle des Krankenhauses. Sie grenzt direkt an die Cafeteria. Die Tür steht offen – schließlich soll der Raum zu einem kurzen Besuch einladen. Martin Steinke ist einer von drei Seelsorgern in der Schüchtermann-Klinik. Neben ihm gibt es eine weitere evangelische Kraft sowie eine katholische Kollegin. Sie besuchen die Patienten, die es wünschen – egal, ob sie evangelisch, katholisch oder muslimisch sind. Schließlich belastet alle die ungewohnte Situation gleichermaßen.

Der 53-jährige Steinke ist noch recht neu auf diesem Posten, als die Regionalbischöfin Birgit Klostermeier ihn in Bad Rothenfelde besucht.

Klostermeier: Herr Steinke, Sie sind nun seit einem Dreivierteljahr Klinikseelsorger hier in Bad Rothenfelde. Was muss ein Klinikseelsorger in einer Herzklinik wissen, was er in anderen Kliniken nicht wissen muss?

Steinke: Wenn ich das mal wüsste (lacht). Ich bin hier hereinkommen, ohne ein klares Konzept zu haben. Es war klar: an einem starken Ort braucht es auch eine starke Seelsorge. Es ist wichtig, dass Menschen verlässlich da sind. Hier ist mir bewusst geworden, wie existenziell das Herz ist. Für fast alle Patienten geht es um das ganze Leben. Bei allen geht unheimlich viel durch den Kopf. Das Herz ist ein anderes Organ als alle anderen. Deshalb ist der Aufenthalt hier für fast alle ein Anlass, ihr Leben neu zu überdenken. Und das spüre ich, wenn ich auf ihr Zimmer komme. Dass Menschen auch weinen. Sie lachen auch, aber es ist eben sehr existenziell.

Klostermeier: „Um das ganze Leben“ – das klingt sehr grundsätzlich, sehr umfassend. 

Steinke: Aus der Theologie kennen wir das ja: Denken, fühlen, handeln – alles hat seinen Ort im Herzen. Das braucht man in der Seelsorge, mit dem Herzen zu sehen. Das Interessante dabei: Gott spielt immer eine Rolle, ohne explizit da zu sein. Es passiert einfach. 

Klostermeier: Haben Sie eine konkrete Situation vor Augen?

Steinke: Als ich noch ganz neu war, besuchte ich einen jungen Mann, der mich direkt fragte: „Was meinen Sie, sind die Ärzte, die mich operieren, Gottes Diener?“ Es entspann sich dann eine längere theologische Diskussion, und am Ende habe ich ihm erzählt, was Martin Luther mal gesagt hat: „Alles, was nach dem Wort Gottes geschieht, ist wahrer Gottesdienst.“ Insofern ist auch die OP Gottesdienst, weil damit einem Menschen geholfen wird, und das ist ganz im Sinne Gottes. Aber der Dienst der Krankenschwester oder der Reinigungskraft ist genauso Gottesdienst, ist genauso wichtig wie die Arbeit des Chefarztes. Ohne sie geht es nicht. Und beide machen ihre Arbeit genauso gerne.

Manchmal spielt Gott auch viel unterschwelliger eine Rolle: Ein zunächst recht verschlossener Mann sagte später, nach seiner Operation, zu mir: „Ich habe gemerkt, da hat noch jemand anderes seine Hand im Spiel gehabt.“ Ich glaube, es geht häufig um den Glauben, ohne es darauf angelegt zu haben.

Klostermeier: Ich stelle es mir nicht einfach vor, als Seelsorger seine Rolle zu finden. Haben Sie in den vergangenen Monaten einen Weg entdeckt, wie sie bei tief greifenden Entscheidungsprozessen hilfreich sein können?

Steinke: Mir geht es darum, die Menschen zu unterstützen. Ich denke an eine schon ältere Herzpatientin, die zuhause über Jahre hin ihre kranke Mutter pflegte, aber selbst eigentlich keine Kraft mehr dafür hatte. Sie verurteilte sich selbst für ihren Gedanken: „Hoffentlich stirbt die Mutter bald.“ Diese Schuldgefühle sind ihr dann offensichtlich auf ́s Herz geschlagen. Ich habe sie gefragt: „Was würde Ihre Mutter Ihnen sagen?“

Klostermeier: Damit haben sie ihr ermöglicht, anders zu denken?

Steinke: Beim nächsten Treffen sagte die Frau: „Danke, Sie haben mir so geholfen, durch ihren Tipp.“ Dabei habe ich ihr gar keinen Tipp gegeben – sie hat letztendlich selbst entschieden. 

Klostermeier: Gibt es Tage, die Ihnen selbst schwerer fallen als andere?

Steinke: Was gut ist, und das kenne ich schon aus den Tagen meines Zivildienstes: Wenn ich da bin, bin ich ganz da. Und wenn ich zu Hause bin, dann bin ich zu Hause. Dann habe ich die nötige Distanz, um nicht betroffen zu sein, um abschalten zu können.

Ich freue mich, hier arbeiten zu dürfen, und es ist schön zu sehen, wie vielen Menschen hier geholfen wird, wie sie fröhlich nach einigen Tagen nach Hause gehen. Auch zu sehen, was die Ärzte, die Schwestern und das gesamte Personal hier für einen tollen Job machen. Es ist schließlich auch ein Segen, dass Gott uns den Verstand gegeben hat, zu heilen und zu helfen.

Klostermeier: Ich danke Ihnen sehr, für Ihre Arbeit und für das Gespräch! Und ich wünsche Ihnen für diese Aufgabe weiterhin „ein großes Herz“ und Gottes Segen. 

Über das Projekt

Wie sieht der Alltag eines gläubigen Ehepaares aus, das zwei unterschiedlichen Religionen angehört? Was bedeutet es für Demenzkranke, ihr Gedächtnis zu verlieren? Und wie kann man Menschen unterstützen, die ein neues Herz bekommen sollen?

All diese Fragen drehen sich um die aktuelle Jahreslosung der Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für das Bibellesen:

„Gott spricht: Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch.“

Mit diesen Worten im Gepäck wird die Landessuperintendentin Dr. Birgit Klostermeier in diesem Jahr zum zweiten Mal im Sprengel Osnabrück unterwegs sein. Sie besucht das ganze Jahr über verschiedene Einrichtungen und Initiativen. Dabei trifft sie Ehrenamtliche, Organisatoren, Seelsorger und Betreuer. Mit der Reihe „Sprengelfrüchte“ will die Regionalbischöfin zeigen, wie vielseitig das Engagement im Sprengel Osnabrück ist – zwischen Syke und Glandorf, zwischen Diepholz und Melle. 

sprengelfruechte.de

Sprengelfrüchte Teil 2

Für Annette Mielke und Gerhild Thieß gibt es fast nichts Schöneres als zu kochen und zu backen. Allerdings wollen die beiden es auch nicht mehr übertreiben. „So ein kleines, feines Café gegenüber der Kirche – das wäre doch was!“ – das dachten sich die beiden Frauen, und setzten ihren Traum kurzerhand in die Tat um. Landessuperintendentin Dr. Birgit Klostermeier besuchte das „Kirchenstübchen“ jetzt im Rahmen ihres Projektes „Sprengelfrüchte“.