Startseite Archiv Tagesthema vom 04. April 2017

Vom Salzbergwerk zum Atommüllendlager

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Vor 50 Jahren wurden die ersten Fässer mit radioaktiven Abfällen in die Asse eingelagert

Die Schachtanlage Asse II ist als Atommülllager denkbar ungeeignet, das betont Wolfram König immer wieder. "Wir haben 2009 ein Bergwerk übernommen, in das nie radioaktive Abfälle hätten eingelagert werden dürfen." Was der Präsident der Bundesämter für Strahlenschutz (BfS) und kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) so massiv kritisiert, war bei der Beseitigung radioaktiver Abfälle in der Bundesrepublik lange Zeit gängige Praxis.

Vor 50 Jahren, am 4. April 1967, wurden die ersten 80 Fässer mit Atommüll aus dem Kernforschungszentrum Karlsruhe in dem früheren Salzbergwerk im Kreis Wolfenbüttel versenkt. Zuletzt gelangten dort 1978 strahlende Abfälle unter die Erde. Insgesamt lagern 125.787 Fässer und Gebinde mit schwach- und mittelradioaktiven Abfällen sowie Chemiemüll in den einsturzgefährdeten Kammern.

Um 1900 begann auf dem Asse-Höhenzug nördlich des Harzes der Salzbergbau. Während die Schächte I und III schon früh voll Wasser liefen und aufgegeben werden mussten, förderten Bergleute im Schacht II bis 1964 Steinsalz. Ein Jahr später kaufte der Bund das Bergwerk und ließ es von der Gesellschaft für Strahlenforschung (heute: Helmholtz Zentrum München) zum "Versuchsendlager" für Atommüll herrichten.

Die Abfälle, darunter rund 100 Tonnen radioaktives Uran, 87 Tonnen strahlendes Thorium, 28 Kilogramm Plutonium und 500 Kilogramm extrem giftiges Arsen, wurden in 13 Kammern gepackt. Teilweise kippten Gabelstapler die Fässer einfach über Abhänge oder quetschten sie in bereits volle Hohlräume. Bis heute halten sich Gerüchte, dass in der Asse auch Kadaver von Affen und anderen Säugetieren vermodern, mit denen in der Vergangenheit radioaktive Versuche gemacht wurden.

Am 29. Juli 1974 zitierte die "Hannoversche Allgemeine Zeitung" den stellvertretenden Asse-Betriebsleiter mit der Aussage, 1967 seien "als erstes radioaktive Abfälle aus dem letzten Krieg versenkt" worden. Es habe sich dabei um Uranabfälle gehandelt, "die bei der Vorbereitung der deutschen Atombombe anfielen". Die Behörden haben davon aber keine Kenntnis.

Die Einlagerung endet nach der Änderung des Atomgesetzes. Als Voraussetzung für die Endlagerung radioaktiver Abfälle ist nun ein atomrechtliches Planfeststellungsverfahren vorgeschrieben. Es dauert jedoch noch lange, bis Informationen über den Zustand der Asse nach außen dringen: Seit 1988 läuft Wasser in das Bergwerk, täglich rund 12.000 Liter. Die Kammern mit dem Atommüll sind instabil, einige Zwischendecken bereits eingebrochen, sagen Experten. Sie befürchten auch unkontrollierte Grundwassereinbrüche.

2008 beschließen der Bund und das Land Niedersachsen, die Asse künftig wie ein Endlager zu behandeln. Das BfS wird Betreiber und mit der sicheren Schließung der Grube beauftragt. Nach einem Vergleich verschiedener Varianten spricht sich das Amt für die Bergung sämtlicher Abfälle aus. Ein ambitioniertes Unterfangen, ein nukleares Endlager wurde noch nirgends auf der Welt geräumt.

Doch die angekündigte Rückholung der Fässer droht zu scheitern, bevor sie überhaupt begonnen hat. Denn mit dem Herausholen der Fässer wäre es nicht getan: Ein neuer Schacht muss in den Berg getrieben, ein oberirdisches Zwischenlager gebaut und eine dauerhafte Lagerstätte für den Asse-Müll gefunden werden. Das in Bau befindliche Endlager Schacht Konrad, räumt BfS-Chef König ein, kann die Abfälle ohne ein neues Genehmigungsverfahren nicht aufnehmen. 

Umweltschützer vermuten, dass manche Politiker auch lieber keine Bilder von zerfressenen Fässern und einem strahlenden Brei aus Salzlauge und Atommüll wollen. Sie wollen mit einer Kundgebung am Atommülllager Asse an diesem Dienstag (4. April) an den Beginn der Einlagerung der radioaktiven Abfälle in das Bergwerk vor 50 Jahren erinnern. Zeitzeugen wollen dann über die "wechselhafte Geschichte" der Schachtanlage und die Entstehung der örtlichen Protestbewegung berichten.

Ab 2009 beschäftigte sich ein Untersuchungsausschuss des Niedersächsischen Landtags mit der Asse. Viele weitere Pannen und Missstände kamen in den Anhörungen ans Licht. So wurden radioaktiv belastete Laugen ohne Genehmigung in tiefere Bereiche gepumpt, Studien über die Baufälligkeit des Bergwerks zurückgehalten. Der als Zeuge vor den Ausschuss geladene Sigmar Gabriel (SPD) nannte die Asse "einen der größten Problemfälle, die wir in Europa haben". Es sei skandalös, dass die Atomindustrie ein Bergwerk "löcherig wie ein Käse" für eine "Billigentsorgung" genutzt habe.

Reimar Paul (epd)

Bewährungsprobe

Landesbischof Ralf Meister hat den Beschluss des Bundestages für ein Endlager-Gesetz für Atommüll begrüßt. Es habe im Laufe der Diskussionen im Bundestag Nachbesserungen für eine frühzeitige und breite Bürgerbeteiligung bei der Suche nach einem Endlager für hochradioaktiven Atommüll gegeben. Darauf habe auch die vom Bundestag eingesetzte Kommission gedrungen, die das Gesetz vorbereitet hat, sagte der Landesbischof. Meister hatte die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) in der 32-köpfigen Kommission vertreten.

Nun passierte das Standortauswahlgesetz den Bundesrat ohne Einspruch der Länder. Damit kann die Suche nach einem Lager, in dem der Atommüll eine Million Jahre sicher eingeschlossen werden soll, beginnen.

Das Gesetz folgt den Empfehlungen der Kommission zur Standort-Suche. Deutschland wird danach als "weiße Landkarte" betrachtet. Anhand eines wissenschaftsbasierten Verfahrens soll der bestgeeignete Standort ausfindig gemacht werden. 

"Die Bewährungsprobe für das Gesetz steht aber noch aus." sagt Landesbischof Ralf Meister. Es komme jetzt darauf an, wie es dem Begleitgremium gelinge, Menschen zu beteiligen und ihre Mitsprachemöglichkeiten auch zu nutzen. "Sonst ist das Gesetz nur ein Papier mit schwarzer Schrift."

Für die Öffentlichkeitsbeteiligung sieht das Gesetz dem Bischof zufolge ein komplexes Verfahren vor. Dabei sollten unter anderem die unterschiedlichen Interessengruppen in den Regionen zu Wort kommen, die möglicherweise für ein Endlager infrage kämen.

epd

Gedenken

Mit einer Kundgebung am Atommülllager Asse wollen Umweltschützer heute an den Beginn der Einlagerung radioaktiver Abfälle in das Bergwerk vor 50 Jahren erinnern. Zeitzeugen wollten bei der Veranstaltung über die "wechselhafte Geschichte" der Schachtanlage und die Entstehung der örtlichen Protestbewegung berichten, teilte der Asse-II-Koordinationskreis mit. Auch ein fünf Meter hohes "Asse-A" werde aufgestellt. Der Koordinationskreis ist ein Zusammenschluss regionaler Bürgerinitiativen und Umweltgruppen.

epd