Startseite Archiv Tagesthema vom 31. Januar 2017

Gute Noten für „Tabubruch“

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Modellprojekt des Landeskirche in Alfeld und Elze: Jetzt liegen die Ergebnisse der fünfjährigen Evaluation vor

Aus vielen Teilen der hannoverschen Landeskirche waren sie gekommen: Mitglieder der Synode und des Kirchensenats, VertreterInnen des Landeskirchenamts, SuperintendentInnen aus Kirchenkreisen zwischen Göttingen und Lüneburg, andere neugierige Kirchenmenschen. Sie alle wollten wissen: Hat sich die so genannte ephorale Doppelspitze, das Leitungsduo des Kirchenkreises Hildesheimer Land-Alfeld, bewährt? Und: Ist das Modell nachahmenswert für andere Kirchenkreise? Die Ergebnisse der ersten fünf Jahre wurden im Hannoverschen Stephansstift vorgestellt: Die Superintendentin Katharina Henking brachte es mit ihrem Schlusswort auf den Punkt: „Traut euch was!“

2011 fusionierten die beiden Kirchenkreise Hildesheimer Land und Alfeld. Heute leben dort fast 80.000 evangelische Christen in 86 Gemeinden – zu viele, um sie und die 75 PastorInnen und DiakonInnen aus einer Hand zu begleiten, befand Christian Castel, der schon seit 2005 Superintendent in Elze war. Einige Kolleginnen hätten seinerzeit kein Verständnis dafür gehabt, dass er freiwillig seinen „Thron“ teilen wollte. Auch Oberlandeskirchenrat Rainer Mainusch erinnerte daran, dass es im Vorfeld viele Bedenken gegeben habe. Von einem „Tabubruch“ sei die Rede gewesen. Castel sagte aber klipp und klar: „Ich habe es nicht bereut.“

Seit dem 1. Januar 2012 läuft das Modellprojekt der Landeskirche in Alfeld und Elze. Katharina Henking wurde Superintendentin in Alfeld, Christian Castel blieb in Elze. Vom ersten Tag an hat der Münsteraner Soziologe Oliver Bierhoff das Vorhaben wissenschaftlich begleitet und evaluiert. Die Modellphase dauert noch bis 2019, Bierhoffs Evaluation ist aber schon jetzt abgeschlossen. Deshalb der erste Kassensturz, zu dem der  Kirchenkreis Hildesheimer Land-Alfeld und das Landeskirchenamt gemeinsam einluden.

An dem Beweis, dass man einen Kirchenkreis sehr wohl mit zwei gleich berechtigten SuperintendentInnen leiten kann, arbeiten Katharina Henking und Christian Castel unermüdlich. Zu Beginn seien viele Abstimmungstermine nötig gewesen, alle ein bis zwei Wochen. Inzwischen sei die Taktung sehr viel länger, berichtete das Duo. Das Miteinander habe sich eingespielt, die Vorteile überwögen. Henking: „Dadurch, dass wir zu zweit sind, können wir Situationen schärfer wahrnehmen und Themen – auch kritische – eher ansprechen.“ Die Nachfrage, ob man im Team nicht eher zurückhaltender agiere, weil man sich jeweils auf die andere oder den anderen verlasse, verneinte Castel. Die Zuständigkeiten seien gut geregelt: „Es ist völlig klar: Wer ist dran?“

Auf die Frage, ob die Doppelspitze besser als die gewohnte Einzelleitung sei, gaben weder der Soziologe Bierhoff noch der Praktische Theologe Jan Hermelink von der Uni Göttingen eine eindeutige Antwort. Beide sahen bei der Doppelspitze Vorteile darin, dass verschiedene Talente einander ergänzen. Auch sei es ein Schutz vor Überlastung, die Arbeit auf mehrere Schultern zu verteilen, so Bierhoff. Auf der anderen Seite müssten die Beteiligten eine „hohe sozial-kommunikative“ Kompetenz und Lernbereitschaft mitbringen, dürften nicht narzistisch veranlagt sein und müssten vom Umfeld gut unterstützt werden. Wenn das „System“ nicht bereit sei, sich auf Veränderungen einzulassen, könne auch ein personell noch so gut besetztes Leitungsteam nicht erfolgreich arbeiten. 

Und wie ist die Bilanz für den Kirchenkreis Hildesheimer Land-Alfeld? Bierhoff hat im vorigen Jahr haupt- und ehrenamtliche Mitarbeitende befragt, ob sie mit ihrer Doppellösung zufrieden seien. Rund 75 Prozent hätten mit Ja geantwortet: Bierhoff: „Das ist ein sehr guter Wert.“ 

Ralf Neite

Kirchenkreis mit zwei Superintendenturen

Der Kirchenkreis Hildesheimer Land–Alfeld hat als einziger in der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers zwei Superintendenturen.
Katharina Henking in Alfeld, die zur Zeit auch die Geschäftsführung hat, und Christian Castel in Elze sehen ihre Aufgabe darin, die kirchliche Arbeit in diesem ländlichen Raum zu fördern und zu begleiten, Anregungen zu geben und geistliche Leitung wahrzunehmen, aber auch ein offenes Ohr zu haben für Fragen und Sorgen, Freuden und Leiden der Mitarbeiterschaft und der Gemeindeglieder. 

Christian Castel betreut von Elze aus die Regionen Ith, Saaletal, Elze, Nordstemmen, Gronau, Schellerten und Söhlde, Katharina Henking von Alfeld aus die Regionen Bad Salzdetfurth, Holle, Bockenem-Ambergau, Duingen, Alfeld, Gerzen-Grünenplan, Freden und Börde.

Doppelspitze in Lüneburg

Ein zweites Leitungsteam hat soeben im neu fusionierten Kirchenkreis Lüneburg die Arbeit aufgenommen. Dort ist die Lage eine etwas andere. Auch dieser Kirchenkreis hat eine sehr große Ausdehnung, mit Lüneburg enthält er aber auch ein Oberzentrum. Hier haben sich die Verantwortlichen gegen eine gleichberechtigte Führung entschieden: Christine Schmid ist leitende Superintendentin in Lüneburg, Christian Cordes ist Superintendent in Bleckede. Anders als im Hildesheimer Land und in Alfeld haben sie nicht die große Fläche in zwei Amtsbezirke aufgeteilt, sondern lediglich Gemeinden und übergreifende Aufgaben unterschiedlich zugeordnet. Christine Schmid sieht diese Lösung als Chance, künftig mehr Zeit für inhaltliche Arbeit zu haben, weniger Managerin sein zu müssen.

Ralf Neite