Startseite Archiv Tagesthema vom 14. Januar 2017

Einer von uns?

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Andacht

„Hätte Gott ein Gesicht - wie würd es aussehn?“ singt die Band Erdmöbel. Die Kölner covern damit den Joan-Osborne-Klassiker „One of us“ - und irgendwie auch den biblischen Mose. „Lass mich deine Herrlichkeit schauen“, bittet Mose Gott. Das ist eine Sehnsucht, die ich gut kenne. Wären mein Leben und mein Glauben nicht viel einfacher, wenn Gott mir ganz direkt gegenübersteht? Wenn ganz klar wäre, was Gott möchte und was nicht?

Mose bekommt in der Bibel eine eindeutige Antwort von Gott: „Mein Angesicht kannst du nicht sehen; denn kein Mensch wird leben, der mich sieht.“ Eine direkte Gottesbegegnung auf Knopfdruck gibt es also nicht – so sehr wir Menschen uns das auch wünschen. Gott entzieht sich menschlichen Einordnungen. Er ist nicht berechenbar, lässt sich in keine Schublade meines Denkens einsortieren.

Das macht meinen Glauben nicht einfacher. Das lässt mich hadern – mit mir selbst, meinem Glauben – und mit Gott. Ich muss akzeptieren, dass meine Gottesbeziehung nie eindeutig ist, dass sie schwankt; dass es Zeiten gibt, in denen ich Gott nicht verstehe, in denen ich zweifle, ob er wirklich da ist.

Gleichzeitig bewahrt mich diese bleibende Ungewissheit davor, dass ich für mich gegenüber anderen Menschen in Anspruch nehme: Ich weiß genau, wie das mit Gott funktioniert – und Du nicht.

Und die Unverfügbarkeit Gottes eröffnet mir einen Klageraum: Ich bin für das, was in meinem Leben schief läuft, nicht einzig und allein verantwortlich. Ich kann Gott mit meinem Zorn, meiner Trauer und meiner Angst konfrontieren. Ganz direkt und gar nicht abstrakt.

Unmöglich sind Gottesbegegnungen nämlich nicht. Das wird schon bei Mose deutlich. Oft erkenne ich sie aber erst in der Rückschau: „Siehe, es ist ein Raum bei mir, da sollst du auf dem Fels stehen. Wenn dann meine Herrlichkeit vorübergeht, will ich dich in die Felskluft stellen und meine Hand über dir halten, bis ich vorübergegangen bin. Dann will ich meine Hand von dir tun, und du darfst hinter mir her sehen.“(Exodus 33, 21-23)

Und so einsam wie es bei Erdmöbel und Joan Osborne klingt („Und zu Hause irgendwann, ruft ihn wieder keiner an, und wenn dann ist der Papst dran.“), ist Gott dann auch nicht. Denn Kommunikation mit ihm geschieht täglich, milliardenfach und zutiefst persönlich. Immer dann wenn wir beten: „Lieber Vater im Himmel…“. 

Pastor Benjamin Simon-Hinkelmann

Der Bibeltext

„Der Herr sprach zu Mose: Denn du hast Gnade vor meinen Augen gefunden, und ich kenne dich mit Namen. Und Mose sprach: Lass mich deine Herrlichkeit sehen!

Und er sprach: Ich will vor deinem Angesicht all meine Güte vorübergehen lassen und will ausrufen den Namen des Herrn vor dir: Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich.

Und er sprach weiter: Mein Angesicht kannst du nicht sehen; denn kein Mensch wird leben, der mich sieht. Und der Herr sprach weiter: Siehe, es ist ein Raum bei mir, da sollst du auf dem Fels stehen.

Wenn dann meine Herrlichkeit vorübergeht, will ich dich in die Felskluft stellen und meine Hand über dir halten, bis ich vorübergegangen bin. Dann will ich meine Hand von dir tun, und du darfst hinter mir her sehen; aber mein Angesicht kann man nicht sehen.“ (Exodus 33, 17b-23)

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