Startseite Archiv Tagesthema vom 29. Juni 2016

Eine Arche Noah für Feuerlilien

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Landwirtsfamilie bewahrt seltene Ackerkräuter auf den Feldern

Der Sommer-Roggen wiegt sich im Wind. Ein Schwarm Feldlerchen fliegt tief über den Acker. Auf dem Feld der Familie Bergmann in der niedersächsischen Gemeinde Göhrde bei Dannenberg wächst das Getreide in lichten Reihen. Zwischen den Ähren leuchten Feuerlilien mit orangen Blüten hervor. "Dahinten stehen noch viel mehr", ruft Harry Bergmann und zeigt auf die nächste Fläche, die zum Schutz vor Wildschweinen mit Elektrodraht eingefasst ist.

Mit zurückhaltender Bewirtschaftung sorgen die Bergmanns im Dorf Govelin dafür, dass selten gewordene Ackerwildkräuter wieder zum Vorschein kommen.

Aus Sicht des Agrarökologen Stefan Meyer von der Universität Göttingen leistet die Landwirtsfamilie damit einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Natur. Wo die Wildkräuter nicht mehr zu finden sind, hätten auch andere Arten kaum noch Chancen, erläutert er. Insekten, vor allem Bienen, aber auch Hamster oder Greifvögel seien dann gefährdet. "Das zieht eine ganze Strecke nach sich." Landwirtschaftlich genutzte Flächen bilden die größten Biotope in Deutschland. Doch ihre intensive Nutzung sorge für einen dramatischen Artenschwund.

Meyer war Koordinator des Projektes "100 Äcker für die Vielfalt", das von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt aufgelegt wurde. Dabei arbeiteten die Wissenschaftler mit Landwirten zusammen. Sie haben inzwischen 112 Komplexe mit "Schutzäckern" geschaffen. Denn auf Brachland werden die Ackerkräuter von anderen Arten verdrängt. Sie benötigen Boden, der gepflügt oder geeggt wird. Die artenreichen Äcker seien eine "Arche Noah" für die Pflanzen, sagt Meyer. "Sie sind ein Gen-Pool aus dem auch andere Flächen wiederbelebt werden könnten."

Weil der Bestand über Generationen hinweg garantiert werden muss, sind vor allem Flächen in öffentlicher Hand zu "Schutzäckern" erkoren worden. Das Land der Bergmanns gehört deshalb nicht dazu, obwohl sich laut Meyer die nötige Vielfalt dort angesiedelt hat. Die Familie hat 1999 angefangen, auf ihrem Land umzusteuern. "Immer wieder haben wir zu hören bekommen, ihr müsst so und soviel spritzen, dann erntet ihr so und soviel mehr", erinnert sich Christel Bergmann. "Am Ende haben wir dann aber nicht mehr im Portemonnaie."

Neben Wald bewirtschafteten die 63-Jährige und ihr Mann 80 Hektar Ackerland, das nie sehr fruchtbar war. "Grenzertragsboden", sagt Christel Bergmann. Inzwischen hat Tochter Stefanie den Betrieb übernommen. Die Bergmanns verzichten dort komplett darauf, etwa Unkrautvernichter zu spritzen oder zu düngen. Manche Flächen ernten sie nicht einmal mehr ab. Als Ausgleich für den entgangenen Ertrag erhalten sie Fördermittel vor allem aus EU-Programmen etwa zum Schutz der Ackerwildkräuter oder des selten gewordenen Zugvogels Ortolan.

"Uns beschäftigt der Gedanke der Nachhaltigkeit", betont Christel Bergmann. Dafür müssen sie sich auch Kritik anhören. "Ihr seid ja gar keine Bauern mehr, wird uns vorgeworfen", erzählt die 63-Jährige. Doch sie weiß zu kontern: "Sämtliche Landwirte sind abhängig von Förderprogrammen." Und: "Wer eine Biogasanlage betreibt, ist auch eher ein Energiewirt."

Von anderer Seite erhält die Familie dagegen viel Zuspruch. Etwa wenn sie bei den "Feuerlilien-Tagen" einmal im Jahr die Schätze auf ihren Äckern vorführen. Wissenschaftler und Naturfreunde vor allem aus Holland kommen immer wieder auf ihren Hof. Durch sie haben die Bergmanns selbst erst viele der Arten kennengelernt, die inzwischen wieder sprießen. Beim Rundgang deuten sie auch auf zarte Kräuter: "Da ist der Lämmersalat, daneben Ferkelkraut mit den größeren gelben Blüten, dort wächst Krummhals." Käfer fliegen umher. Ein Bio-Imker lässt seine Völker weiden.

Mit Stolz blickt die Familie auch auf die Geschichte des Hofes zurück: 1448 wurde er erstmals urkundlich erwähnt. 1859 hat der erste mit dem Namen Bergmann eingeheiratet. Schon seit 1862 schmücken eingeschnitzte Feuerlilien das Gebälk des Fachwerkhauses. Denn die Blume war früher in den Feldern durchaus charakteristisch, erläutert Christel Bergmann. "Meine 96-jährige Tante kennt das noch aus Kindertagen."

Karen Miether (epd)

Landwirte solidarisch begleiten

Kurz vor dem Deutschen Bauerntag Ende Juni in Hannover hat der evangelische Landesbischof Ralf Meister aus Hannover Solidarität mit den Landwirten angemahnt. "Mich erreichen immer wieder dramatische Berichte, in vielen Regionen ist die Angst um die wirtschaftliche Existenz das beherrschende Thema", sagte Meister in einem Interview mit der Zeitschrift "Land & Forst".

Die aktuelle Krise treffe nicht nur die Milchviehbetriebe. "Viele schweinehaltende Betriebe oder Ackerbauern müssen ebenso um ihr finanzielles Überleben kämpfen - und das auf Betrieben, die zum Teil seit Jahrhunderten im Familienbetrieb sind." Die Kirche könne ihnen dabei etwa mit ihrer landwirtschaftlichen Familienberatung zur Seite stehen. Als Landesbischof setze er sich zudem dafür ein, dass Verbraucher gerechte Preise für landwirtschaftliche Produkte zahlten.

Er wisse, dass sich viele Landwirte angegriffen fühlten, wenn ihr Dienst für die Ernährung der Menschen, ihre Anstrengungen für das Tierwohl und ihr unternehmerischer Einsatz nicht wertgeschätzt oder sie kritisiert würden, sagte der Bischof. "Für mich bleibt es zentral, dass Kirche und Landwirtschaft im Gespräch bleiben, um ohne Vorurteile und mit gegenseitigem Respekt Strategien für eine gerechtere Welt zu entwerfen."

Zum Deutschen Bauerntag erwartet der Deutsche Bauernverband am 29. und 30. Juni rund 600 Delegierte aus 18 Landesverbänden im Kongresszentrum in Hannover. Meister wird dabei ein Grußwort halten und in einem Gottesdienst anlässlich des Bauerntages predigen. Die "Land & Forst" ist nach eigenen Angaben mit einer wöchentlichen Auflage von 56.000 Exemplaren die meistgelesene landwirtschaftliche Fachzeitschrift in Niedersachsen.

epd