Startseite Archiv Tagesthema vom 12. Mai 2016

Entwicklungshelfer für Plattdeutsch

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Als Yared Dibaba als Junge beim Bäcker in Falkenburg bei Oldenburg zum ersten Mal Plattdeutsch hörte, war er ziemlich verwirrt. „Mama, was reden die da?“, fragte er seine Mutter. Was die Leute in dem 800-Seelen-Dorf da sagten, hat den aus Äthiopien stammenden TV-Moderator seitdem nachhaltig geprägt. Inzwischen spricht er selbst fließend Platt, und in Radio und Fernsehen plaudert er als Plattdeutsch-Experte des NDR in Sendungen wie „Hör mal 'n beten to“ oder „Plattdeutsch für Anfänger“. „Ich bin als Entwicklungshelfer für das Plattdeutsche nach Norddeutschland gekommen“, lacht der 47-Jährige.

Danach sah es anfangs allerdings gar nicht aus: Yared kam 1979 als Flüchtlingskind nach Niedersachsen. Seine Familie war aus Oromia in Äthiopien geflohen, als dort ein blutiger Bürgerkrieg ausbrach. Dibaba kann nachfühlen, wie Menschen aus Syrien oder afrikanischen Ländern zumute ist, die heute ihre Heimat verlassen müssen. „Ich habe als achtjähriger Junge Leichen auf der Straße liegen sehen“, erzählt er. „Es gab Hinrichtungen, Entführungen und Folter.“ Deshalb setzt sich Dibaba selbst für Flüchtlinge ein, etwa beim Bündnis „Niedersachsen packt an“.

Seine Familie war ins Visier der kommunistischen Machthaber geraten, weil sein Vater als Radio-Journalist für die evangelische Mekane-Yesus-Kirche arbeitete. Als Yared eines Tages vom Spielen nach Hause kam, standen seine Eltern mit erhobenen Händen an der Wand, hinter ihnen Männer mit Maschinengewehren. „Da war klar, was die Stunde geschlagen hatte.“ Morgens und abends betete Yared: „Lieber Gott, hol uns hier raus.“ Als die Familie später wirklich ausreisen konnte, „war das für mich der Beweis: Es gibt einen Gott“.

Weil die Mekane-Yesus-Kirche Kontakte zur hannoverschen Landeskirche unterhielt, konnte die Familie nach Deutschland ausfliegen. Sie landete schließlich in Falkenburg, einem Ortsteil von Ganderkesee. Der Vater fand dort eine Anstellung als Dozent im kirchlichen Lutherstift. „Das war ein großes Glück für uns.“ Von nun an musste Yared sich als Junge mit schwarzer Hautfarbe in der norddeutschen Tiefebene gegen manche Vorurteile behaupten. Doch das gelang. Er spielte Fußball beim TV Falkenburg und sang im plattdeutschen Kinderchor. Sogar an plattdeutschen Vorlesewettbewerben nahm er teil.

So lernte er ganz spielerisch die neue, fremde Sprache. Sie sollte ihm nach Studium und Ausbildung noch kräftig nützen: Denn als der NDR in Hamburg einen Moderator für die Fernsehreihe „De Welt op Platt“ über plattdeutsch sprechende Auswanderer suchte, war Dibaba der richtige Mann zur richtigen Zeit. „Es war gut für diese Sendung, dass jemand Plattdeutsch spricht, von dem man das zunächst nicht vermutet.“

Heute verblüfft er so manchen Ostfriesen mit lupenreinem Platt. Für eine CD hat er eine plattdeutsche Kinderbibel eingelesen: „Dat groote plattdüütsche Bibel-Hörbook“. Der Moderator betont: „Die Sprache ist der einzige Weg, um einen Draht zu den Menschen zu bekommen.“ Deshalb empfiehlt er auch Flüchtlingen, ruhig ein paar Brocken Platt zu lernen: „Das ist das Sahnehäubchen, da versteht man die Mentalität des Nordens.“

Dibaba sieht sich heute als Norddeutscher mit Leib und Seele, schwärmt von Wind und Weite, von Bremer Grützwurst und vom Fasching in Ganderkesee. Wichtig ist ihm aber auch etwas anderes: „Ich bin meinen Eltern dankbar, dass sie weiter die äthiopische Oromo-Kultur gepflegt haben.“ Mit Sorge blickt er in seine erste Heimat, wo im Oromo-Gebiet weiterhin der Bürgerkrieg tobt. „Es ist wichtig zu wissen, wo man herkommt. Man muss ganz bei sich sein, um sich für das Neue zu öffnen.“

Michael Grau (epd)

Traditionspflege und kulturelle Identität

„Er ist der hohe Norden und der tiefe Süden in einer Person: Yared Dibaba, geboren in Äthiopien, aufgewachsen im Oldenburger Land und glücklich, im Norden zu leben.“, schreibt der NDR in einem Kurzporträt über dehn Moderator.

Seine Sendung „Die Welt op Platt“ zeigt, wie lebendig, international und weltoffen die plattdeutsche Sprache ist. Und wie wichtig dies für die Traditionspflege und die kulturelle Identität deutschstämmiger Menschen im Ausland ist. Yared hat auf seinen Reisen viele spannende Geschichten von interessanten Menschen gehört. Und sie alle eint ein Motto: Wi snackt platt!

Einblick in die Redaktionsarbeit

Wie sieht es eigentlich hinter den Kulissen der Sendung „Mein Nachmittag“ aus? Yared Dibaba hat sich einen ganzen Tag lang über die Schulter blicken lassen. Dazu ist ein kurzes Video entstanden, dass den Moderator in der Vorbereitung und im Einsatz zeigt.