Startseite Archiv Tagesthema vom 20. März 2016

Leinwand voller Schmerz

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Wenn Ayman Darwich zum Pinsel greift, dann malt der Syrer Bilder seiner kriegszerstörten Heimat. „Ich lasse meine Trauer auf die Leinwand fließen“, sagt der 45-jährige Künstler, während er mit einem leichten, schnellen Strich eine Linie auf dem Gemälde vor ihm nachzieht. Bilder von ihm und seiner Frau Neshim Darwich sind noch bis Karfreitag (25. März) in der Ausstellung „Bilder für den Frieden“ in der evangelischen Martini-Kirche im Harzer Kurort St. Andreasberg zu sehen. 

Seit Januar ist Darwich mit seinen vier Kindern und seiner Frau in der ehemaligen Rehberg-Klinik in St. Andreasberg untergekommen. In der Notunterkunft leben etwa 1.500 Flüchtlinge. Sieben Monate war Darwich zuvor mit seiner Familie auf der Flucht: Von der syrischen Stadt Palmyra aus in die Türkei, dann mit einem Schlauchboot über das Mittelmeer und schließlich von Griechenland über die Balkan-Route nach Deutschland.

Viele seiner Zeichnungen und Gemälde musste der Künstler in Syrien zurücklassen. Einige habe er vergraben oder versteckt, sagt Darwich. Ob er sie je wiedersehen wird, ist ungewiss. Wegen seiner Bilder musste er vor der Terrormiliz „Islamischer Staat“ um sein Leben fürchten und entschied sich schließlich zur Flucht. „Kunst war in der zerstörten Stadt nicht mehr möglich.“

Auf der Flucht hat Darwich neue Bilder gemalt und mitgenommen. Teils mit schwarzer Tusche oder bunter Farbe zeigen sie symbolträchtige Darstellungen von Menschen am Galgen oder mit schreckgeöffnetem Mund. Sie zeigen auch die Häuser und antiken Welterbestätten seiner Heimatstadt, die durch die IS-Kämpfer teils völlig zerstört wurden. „Ich will der Welt ein Bild von Syrien geben und den Schmerz des syrischen Volkes zeigen“, sagt Darwich. 

Immer wieder hat er auch die Taube als Zeichen für die Hoffnung auf Frieden in die Gemälde eingearbeitet. So hält eine mit blutigen Tränen überströmte Frau, die sein Heimatland symbolisiert, eine weiße Taube in ihren Händen. Andere Bilder zeigen Angriffe von Helikoptern und Flugzeugen auf Häuser und Menschen. In Karikaturen hat Darwich unter anderem den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad als Esel an Marionettenfäden verewigt.

Die Ausstellung in der Martini-Kirche dokumentiert außerdem einen weiteren Teil von der Flucht des Künstlers: Darwich hat in den unterschiedlichen Flüchtlingscamps Bilder von Kindern, die er dort getroffen hat, gesammelt und ebenfalls mitgenommen. Erst bei näherem Hinsehen entfalten die Buntstift-Zeichnungen ihre schreckliche Wirkung. Sie zeigen einen von vielen roten Herzen umschlossenen Mann am Kreuz oder die Überfahrt im Schlauchboot durch die hohen Wellen des Mittelmeers. 

In der Notunterkunft in St. Andreasberg angekommen, hatte Darwich schnell Unterstützer gefunden, die ihm und seiner Frau Papier, Leinwände und Farbe stifteten. Die Ideen für seine Werke bekommt er nun von Erzählungen anderer Geflüchteter oder von Bildern aus dem Fernsehen, sagt er. „Ich versuche, die Hilferufe der Menschen zu transportieren.“

Die Ausstellung des Ehepaars soll nach Ostern noch im Harzer Nachbarort Bad Lauterberg gezeigt werden.

Das Malen helfe ein wenig dabei, die Erlebnisse und Gefühle zu verarbeiten, sagt Darwich, während er für einen Moment ruhig mit dem Pinsel und der Farbpalette in der Hand vor der Leinwand steht. „Aber vergessen kann ich die Erlebnisse nicht.“

Charlotte Morgenthal (epd)

„Wann endlich...?“

Die Kirchen haben zu Beginn der Karwoche mehr Anstrengungen für den Frieden und zur Bewältigung der Flüchtlingskrise gefordert. Der Münchner Erzbischof Reinhard Marx rief zu mehr Aufmerksamkeit für Menschen in Not auf. „Der Sohn Gottes, Jesus Christus, ist in jedem Opfer des Krieges, in jedem Geschlagenen, in jeder Vergewaltigten, in allen schreienden und notleidenden Kindern gegenwärtig“, sagte er am Palmsonntag im Liebfrauendom. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, unterstrich die Botschaft von Karfreitag und Ostern, dass Gewalt und Tod „nicht das letzte Wort haben.“

Zur Bedeutung von Karfreitag und Ostern sagte der EKD-Ratsvorsitzende: Der christliche Glaube bringe beide Aspekte des Lebens überzeugend zusammen: auf der einen Seite Leiden, Hoffnungslosigkeit, Gewalt und die Abgründigkeit des menschlichen Daseins - auf der anderen zugleich die Hoffnung. „Das ist der Spannungsbogen zwischen Karfreitag und Ostern“, erklärte Bedford-Strohm die Symbolik des Festes.

Die aktuellen Bilder aus den Kriegs- und Krisengebieten seien „auch ein Appell an uns Christen und die christlich geprägten Länder“, sagte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Marx: „Wann endlich raffen sich die Völker Europas, Russlands und Amerikas auf, alles zu tun, um den Kriegen im Nahen Osten ein Ende zu setzen? Wann endlich schaffen sie zumindest humanitäre Lösungen für die Menschen an den Grenzen und in den Flüchtlingslagern?“

Christen jedenfalls könnten in dieser Karwoche den Blick nicht abwenden von den Opfern und Leidenden. „Wir würden uns von Christus selbst abwenden“, betonte der Kardinal. „Deshalb ist der geistliche Weg durch diese Woche auch eine Bitte an Gott um Frieden und Gerechtigkeit für die Verfolgten und Leidenden. Und auch ein Aufruf an die politisch Verantwortlichen zu handeln.“

Mit dem Palmsonntag begann die Karwoche, in der Christen des Todes Jesu am Kreuz gedenken. Der Feiertag erinnert an den Einzug Jesu in Jerusalem, mit dem sein Leidensweg begann. Zu seinem jubelnden Empfang breiteten die Menschen ihre Kleider vor ihm aus und streuten grüne Zweige - dem biblischen Johannesevangelium zufolge Palmzweige - auf den Weg.

epd