Startseite Archiv Tagesthema vom 23. Februar 2016

„Wir haben das auch erlebt!“

Flüchtlinge drehen Film über Flüchtlingsfrauen

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Vor ein paar Wochen ließ Malak Alhamwi ihre Wohnung mitten in Damaskus zurück. „Zuletzt haben wir nur noch im Hauseingang geschlafen, weil es oben zu gefährlich war“, erzählt die 60-Jährige. „Wir waren voll bekleidet, immer auf die Flucht vorbereitet“, spricht sie auf Arabisch in ein Mikrofon. Die beiden Syrer Mohammad Makkieh und Hussein Alhamad drehen in Niedersachsens größter Notunterkunft einen Film über Frauen, die wie Malak Alhamwi auf der Flucht vor Krieg und Gewalt in dem Camp bei Bad Fallingbostel gelandet sind.

Zehn Interviews mit Syrerinnen, Afghaninnen und Iranerinnen hat Kameramann Alhamad aufgezeichnet. Die Gespräche, die sie mit den Frauen zwischen 14 und 60 Jahren geführt haben, seien oft sehr intensiv gewesen, sagt Regisseur Makkieh - nicht nur weil sie die gleiche Muttersprache haben. Alhamad und er sind selbst Flüchtlinge. Als Malak Alhamwi erzählt, wie sie trotz Warnungen vor der Brandung im türkischen Izmir in ein Schlauchboot stieg, kommen auch bei Makkieh Erinnerungen hoch: „Mit 40 Leuten an Bord eines kleinen Bootes, darunter 18 Kinder.“

„Es ist ein Unterschied zwischen denen, die das erlebt haben und denen, die es nicht erlebt haben“, sagt Malak Alhamwi, die mit ihren beiden erwachsenen Kindern elf Tage lang auf der Flucht war. Bei den Interviews in einem Gemeinschaftsraum der Flüchtlingsunterkunft versuchen die beiden Filmemacher, etwas von dem für andere Unvorstellbaren zu erfassen. „Wir wollen den richtigen Punkt treffen und Vertrauen gewinnen“, sagt Makkieh, der in Syrien als Cutter gearbeitet und eine Kinder-Sendung mitproduziert hat.

Der Film, den sie während eines sechswöchigen Praktikums bei dem Medienunternehmen „unternehmerinnen-tv“ drehen, soll für die beiden Männer eine erste Qualifikation für den deutschen Arbeitsmarkt sein. Die Volkshochschule der Region beteiligt sich mit dem Projekt an dem bundesweiten Programm „Perspektiven für Flüchtlinge - Potenziale identifizieren, Integration ermöglichen“ (PerF). „Was liegt näher als ein Film, um zu zeigen, was sie können“, sagt die Journalistin Antje Diller-Wolff von der TV-Firma. Dass Flüchtlinge Flüchtlingsfrauen in einer Notunterkunft porträtierten, sei bisher einmalig. Die Johanniter, die die Unterkunft betreiben, unterstützen das Projekt.

Makkieh und Alhamad geht es dabei auch darum, etwas spürbar zu machen vom Verlust der Heimat und dem Trauma der Flucht. Sie haben die Frauen in ihrem Alltag in der Notunterkunft begleitet, sich von ihnen Handy-Bilder von zurückgelassenen Häusern und vom Weg nach Deutschland zeigen lassen. Manchmal auch mit ihnen geweint. „Am Schlimmsten war, als eine Frau erzählt hat, dass ihr Sohn vor ihren Augen geköpft wurde“, sagt Makkieh. „Wir haben nach dem Interview noch lange mit ihr zusammengesessen und versucht, sie zu beruhigen.“

Doch auch von Hoffnungen wollen sein Cousin Alhamad und er erzählen. Malak Alhamwi hat in Damaskus Französisch unterrichtet. Eine Wohnung, die sie vermietet hatte, habe zudem den Lebensunterhalt der Familie gesichert, erzählt die von ihrem Mann getrennt lebende Frau. Jetzt will die 60-Jährige mit dem elegant über das Haar gesteckten Kopftuch erst einmal Deutsch lernen, dann vielleicht als Köchin arbeiten, übersetzt der Dolmetscher. Und ihre 27-jährige Tochter Marwa Mardini ergänzt auf Englisch: „Sie kocht sehr gut.“

Auch die Filmemacher treiben Hoffnungen um. Für Kameramann Hussein Alhamad ist das Wichtigste, seine Frau und seinen Sohn wiederzusehen. Beide lebten noch bei der Schwiegermutter im Libanon, sagt er. Und Regisseur Mohammad Makkieh hat sich ein Ziel gesetzt. „Ich würde gerne einen Film machen, der den ganzen Weg der Flüchtlinge von Syrien nach Deutschland zeigt“, sagt der 29-Jährige und fügt nachdenklich an: „Das ist sehr wichtig für mein Land und meine Landsleute. Es ist meine Pflicht.“

Karen Miether / epd Niedersachsen-Bremen

Portraitfilm aus Niedersachsen

Was Malak Alhamwi über die Flucht aus Syrien erzählt, können Mohammad Makkieh und Hussein Alhamad nachvollziehen. Die Filmemacher porträtieren Frauen in Niedersachsens größter Notunterkunft aus besonderer Perspektive - sie sind selbst Flüchtlinge.

Syrische Familie malt ihre Flucht

 Eine syrische Flüchtlingsfamilie stellt von Sonntag an in der Harzstadt St. Andreasberg eigene Bilder aus, die sie während ihrer Flucht selbst gemalt hat. Die Schau in der Martini-Kirche zeigt Werke des Ehepaares, ihres sieben Jahre alten Sohnes und vieler weiterer Kinder, teilte der evangelische Kirchenkreis Harzer Land am Mittwoch mit. Die sechsköpfige Familie lebt seit Jahresbeginn in einer Flüchtlingsunterkunft der Stadt.

Nach Angaben des Kirchenkreises flohen Ayman und Neshim Darwich und ihre Kinder vor sieben Monaten mit ihren Kindern aus Syrien. Ihre Route führte sie aus der antiken Oasenstadt Palmyra mitten in Syrien über die Türkei, das Mittelmeer und den Balkan nach Deutschland.

Die dabei entstandenen Bilder seien „herzzerreißend“, hieß es. Sie zeigten unter anderem Menschen auf einem von hohen Wellen umgebenen Schlauchboot oder einen von vielen roten Herzen umschlossenen Mann am Kreuz. Viele Bilder allerdings zeugten auch von Hoffnung. „Jetzt in der Passionszeit ist das wie ein Geschenk des Himmels, dass wir diese Ausstellung zeigen dürfen“, sagte Pastor Walter Merz.

Die Ausstellung wird am 28. Februar um 11 Uhr mit einem kurzen Gottesdienst eröffnet. Sie ist bis Karfreitag täglich von 11 bis 17 Uhr in der Martini-Kirche zu sehen.

Reimar Paul / epd