Startseite Archiv Tagesthema vom 19. Februar 2016

Ich lebe, also hoffe ich

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Es ist 22 Uhr. Ein gefüllter Arbeitstag geht zu Ende. Endlich Zuhause. Tun, was mir gefällt. Ich freue mich auf die Wohnung. Vielleicht noch etwas essen. Ein Glas Wein. Noch ein Buch in die Hand nehmen oder die Tagesthemen schauen oder gleich ins Bett. Ich kann es mir aussuchen. Da klingelt das Telefon. Ich greife zum Hörer. Nichts. Dann am anderen Ende ein Schluchzen. Ich warte. Hallo? Bitte, melden Sie sich doch. Gestammel: „Ich kann nicht mehr, hören Sie. Ich bin am Ende. Ich mach Schluss...“ Wieder Weinen. Warten. Schließlich erfahre ich eine Adresse.

Eine Hoffnungslosigkeit hat mich wieder einmal eingeholt. Der Griff zum Kalender ist nur eine hilflose Geste. Da hilft kein Umweg über Zuständigkeiten. Da kann ich nicht fliehen. Also, alles liegen lassen und hingehen. Und ich komme mir nicht wie ein Held vor. Was wird mir begegnen? Wie reagieren, wenn das Leben eines Menschen aus den Fugen gerät, wenn der Mut zum Leben schwindet?

Kurz nach Mitternacht bin ich wieder zurück. Der Abend hat seine Gemütlichkeit verloren. Wir haben lange miteinander gesprochen: über Einsamkeit, über den Tod und über das, was dem Leben Sinn geben könnte. Irgendwann sind wir auf die Hoffnung zu sprechen gekommen. Die Hoffnung war gestorben. Und es war in einem Herzen, einem Leben bitter kalt geworden. Es gab nichts mehr zu hoffen und darum nichts mehr zu leben.

„Lasst, die Ihr eintretet, alle Hoffnung fahren!“ Dieser Satz steht über dem Eingang zur Hölle in Dantes „Göttliche Komödie“. Die Tage, an denen mein Anrufer sich morgens aus dem Bett quälte, waren so überschrieben: Lass alle Hoffnung fahren ...

Ohne Hoffnung kann der Mensch nicht existieren. Wer nichts mehr hofft, wer sich im Leben nach nichts mehr ausstrecken kann, dessen Leben verliert seinen Sinn. Es kann lange dauern, bis ein Mensch wieder hoffen lernt. Die Hoffnung stirbt zuletzt. So sagt man. Oder: Hoffen und Harren hält manchen zum Narren.

Eine andere Art von Hoffnung kennt der christliche Glaube. Unser Predigttext enthält eine große Aussage über uns als Christen und beschreibt eine Hoffnung, die ihren Grund nicht im Menschen und seinen Erwartungen und Sehnsüchten hat, sondern allein in Gott. Dass er es ist, der mein Leben qualifiziert, der es auszeichnet.

Das war das Anliegen des Paulus. Er erzählt von der Hoffnung, die nicht sterben kann, weil sie nicht in mir verankert ist, sondern in Gott selbst. Hoffen ist dem Glaubenden eine Existenzweise. Ich lebe, also hoffe ich. Einem Menschen, der keinen Sinn mehr im Leben sieht, der Angst hat, sein Leben zu verlieren, zu vermitteln, dass auch sein Leben einen Wert hat, sinnerfüllt und geliebt ist, das ist reformatorisch.

Paulus und die ersten Christen wurden verfolgt um ihres Glaubens willen. Gegenwärtig jedoch werden mehr Menschen wegen ihres Glaubens an Jesus Christus bedroht, gefoltert und getötet, als damals zu Zeiten des Paulus. Am Sonntag Reminiscere soll besonders an die „bedrängten und verfolgten Christen“ unserer Zeit - 100 Millionen an der Zahl - erinnert werden. Verfolgte, die von einer Hoffnung getragen werden, die uns so scheinbar gar nicht mehr erreicht. Zeugnisse einer millionenfachen Hoffnung, die auch mit unserer Hilfe rechnet und die uns gleichwohl in unserer satten Kirchlichkeit beschämt.

Pastor Karl Asbrock aus Hannover

Der Text

Wir wissen, dass Bedrängnis Geduld bringt, Geduld aber Bewährung, Bewährung aber Hoffnung. Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den Heiligen Geist.

Römerbrief 5,1-5